Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 106.jpg

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anzudeuten. Erstlich bricht darin die Sage von Sigurd durch. Schon das Aussetzen des neugeborenen Kindes in das Wasser, womit die andern Erzählungen einleiten, stimmt mit der Überlieferung der Wilkinasaga zusammen, wonach Siegfried von seiner Mutter in ein Glaskästchen gelegt wurde, das in den Fluß rollte und fortgetrieben ward (vergl. das Märchen vom goldenen Berg). Nun folgt der listige und böse Goldschmied, der Reigen der nordischen Sage. Dann der redende goldreiche Vogel, die weissagenden Vögel und der Lindwurm Fafnir zugleich; das Essen des Thierherzens, das Gold und Königthum (Weisheit) gewährt, wonach der Schmied auch listig strebt, das aber dem Sigurd zu Theil wird. Der Unterricht in den Jagdkünsten entspricht dem Unterricht welchen Reigen dem Sigurd gibt. Die treuen dienenden Thiere kommen mit dem Roß Grane überein. Dann folgt die Befreiung der Jungfrau vom Drachen, nämlich der Kriemhild nach dem deutschen Liede, im nordischen ist es das Sprengen des Flammenwalls, wodurch der Held sie erwirbt. Dennoch trennt er sich wieder von ihr, wie Sigurd von der Brunhild. Der Bruder der gleiche Gestalt mit ihm hat, ist Gunnar der Blutsbruder, mit dem Sigurd auch die Gestalt tauscht, ja das Schwertlegen kommt vor, nur in umgekehrtem Verhältniß.

Wie das mächtigere und größere Thier immer dem kleinern den Auftrag gibt und so auf dem armen Hasen die Schuld hängen bleibt, so findet sich ein ähnliches Herabsteigen in einer Erzählung des ältern Tutinameh (Kosegarten zu Iken S. 227), wo die Seethiere und Ungeheuer immer dem geringern einen Auftrag zuschieben bis er auf dem Frosch haftet.

Sodann enthält das Märchen auch die Sage von den Blutsbrüdern. Sie ist ausführlich in unserer Ausgabe des armen Heinrichs S. 183–197 erläutert. Beide Kinder sind zugleich und wunderbar geboren. Das Wahrzeichen bei ihrer Trennung, das in den Baum gestoßene Messer, entspricht den Goldbechern des Amicus und Amelius. Ursprünglich vielleicht ist es das Messer gewesen, womit die Adern geritzt wurden, um Blutsbrüderschaft zu trinken; vergl. die Anmerkung zum Märchen vom Lebenswasser (Nr. 97). Der eine nimmt des andern Stelle ein zu Haus und bei seiner Frau, doch trennt er ihr Lager durch das Schwert. Die Krankheit die den einen befällt und ihn aus der Gesellschaft der Menschen treibt, ist hier der Zauber der Hexe, der zu Stein macht und welchen der andere wieder

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)