Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 122.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ist ihr geneigt, hat ihr die sieben Diener zugewiesen, auch ein treffliches redendes Pferd gegeben. Sie verliebt sich heimlich in den König, die Königin dagegen in sie, und von ihr wird sie wegen verschmähter Liebe zu den gefährlichen Abenteuern gezwungen. Die Königin klagt sie endlich an, als habe sie Gewalt an ihr ausüben wollen. Sie wird zum Tod verurtheilt, aber dabei kommt ihr Geschlecht an den Tag. Die Königin stirbt an Gift und Kunegunde wird des Königs Gemahlin. Ganz in der Art unsers Märchens und damit, wenn auch nicht in der Fabel selbst übereinstimmend, ist eine arabische Erzählung in der Fortsetzung der 1001 Nacht von Chavis und Cazotte[1] im Cabinet des fées 39, 421–478. Der Anführer ist Felsenspalter (Tranchemont), unter welchem Saufaus (Pretaboire), Scharfaug (Percevue), Gradaus (Droitaubut), Vogelschnell (Fendl’air), Starkrücken (Bondos), Wolkenhascher (Grippenuage) und Aufbläser (Grossitout), also gerade siebene, die Künste zeigen, die ihr Name andeutet. Daß sie demohngeachtet besiegt werden und der Zauber, durch welchen sie so übernatürliche Kräfte erlangen, vernichtet wird, scheint schon eine spätere, der moralischen Nutzanwendung zu Gefallen vorgenommene Abänderung.

Hierher gehört auch das Märchen von den sechs Dienern (Nr. 134). Bei Colshorn Peter Bär (Nr. 105), und bei Meier Nr. 8 und 31. Bei Müllenhoff Rinroth S. 453. In Wolfs deutschen Märchen Nr. 25. Münchhausen hat in seinen lügenhaften Reisen diese scherzhaften Sagen benutzt (London d. i. Göttingen 1788 S. 84 ff.), doch im Grunde schlecht erzählt. Thor mit seinem Diener Thialfi muß auch hier angeführt werden, so wie die große Mahlzeit der Riesen in den altdänischen Liedern, wo die Braut ganze Ochsen verzehrt und aus Tonnen dazu trinkt. Norwegisch bei Asbjörnsen Nr. 24. Im Pentamerone stimmt der Dummling (5, 8) überein, und das Märchen vom Floh (1, 5) ist zu vergleichen. Bei


  1. Man hat sie für unecht gehalten, indessen späterhin Caussin de Perceval die arab. Handschrift gefunden, woraus Chavis die Grundlage genommen, die Cazotte überarbeitet hatte. Nach dieser Quelle hat Perceval die Erzählungen in seiner Fortsetzung der 1001 Nacht (gewöhnlich der 8te und 9te Band) mitgethielt (s. die Vorrede zu Bd. 8), allein gerade diese findet sich nicht darunter. Demnach muß sie Chavis aus einer andern, noch nicht wieder entdeckten arabischen Handschrift entlehnt haben, denn daß sie echt ist, leidet keinen Zweifel.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)