Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 176.jpg

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mit zur Welt bringen, wovon die arabische Erzählung nichts weiß. Mit dieser dagegen daß keine böse Stiefmutter, wie bei Straparola, mitwirkt, sondern bloß die Schwestern, ferner, daß die Kinder in drei Jahren nach einander, nicht auf einmal zur Welt kommen, und sich die beiden ersten Male der König besänftigt. Eigenthümlich dem deutschen und schön ists, daß aus dem Wasser jedesmal, wie das Kind hineingeworfen ist, ein Vögelchen aufsteigt, welches andeutet daß der Geist das Leben bewahrt (denn die Seele ist ein Vogel, eine Taube), wie im Märchen vom Machandelboom (Nr. 47); darauf beziehen sich auch die Worte im Vers[1] „zum Lilienstrauß“. Sie wollen sagen das Kind war zum Tode bereit (d. i. todt), bis auf weitern Bescheid (Gottes) aber ist es gerettet; die Lilie lebt noch, denn die Lilie ist auch der unsterbliche Geist; s. das Märchen von den zwölf Brüdern Nr. 9, wo statt der Lilie die ihr gleichstehende weiße Studentenblume, Narcisse, verwandelter Jüngling, vorkommt, und das Volkslied im Wunderhorn, wo aus dem Grab, darin Vater, Mutter und Kind liegen, drei Lilien aufsprießen. Das Goldwasser und tanzende Wasser ist hier richtiger Wasser des Lebens, das öfter in den Mythen (auch in rabbinischen findet es sich) gesucht wird; es wird auch in der 1001 Nacht gemeint, da die Prinzessin durch Wasser, das sie gleichfalls oben bei dem Vogel gewinnt, die schwarzen Steine zu Prinzen wieder belebt, wie hier den schwarzen Hund; viel natürlicher ist es endlich daß es angewendet wird, um die unschuldige Mutter die im Kerker saß, wieder gesund zu machen. Zum Ganzen vergl. das folgende Märchen.


97.
Das Wasser des Lebens.

Nach einer hessischen und paderbörnischen Erzählung. In jener kommt die erlöste Prinzessin gar nicht vor, und es wird zum Schluß gesagt daß der König, um den Schuldigen aus seinen drei Söhnen zu erforschen, drei Decken machen läßt, eine goldene, eine silberne und eine gewöhnliche: wer über die goldene reiten werde, sei der


  1. Dieser Vers geht in andere Volkslieder der dortigen Gegend über.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_176.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)