Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 252.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

besten. Im Ganzen stimmen sie überein; die dramatischen Dichtungen sind umständlicher angelegt und ausgeführt: die Verschiedenheiten werden in Haupts Zeitschrift 2, 258–260 angegeben, wo man noch weitere Nachweisungen findet. Hans Sachs nennt den Philipp Melanchthon und dessen lateinisches Gedicht als seine Quelle, doch von diesem ist das Märchen nicht ausgegangen: in einem Brief an den Grafen Johann IV. von Wied erzählt er es wahrscheinlich nach einer lateinischen Quelle. Von Hans Sachs weicht er in einigen Stücken ab. Kein Engel bringt die Botschaft von Gottes vorhabendem Besuch, sondern Eva schaut zum Fenster aus und sieht ihn mit den Engeln nahen. Sie hatte gerade wegen eines bevorstehenden Festtags die Kinder zu waschen begonnen, war aber noch nicht mit allen fertig geworden. Die ungewaschenen heißt sie also sich in Heu und Stroh verstecken, aber die gewaschenen dem Herrn entgegentreten. Mit ihnen hält nun Gott eine förmliche Kinderlehre. Abel sagt das Credo weitläuftig her, nach ihm werden Seth und die Schwestern geprüft; alle bestehen aufs beste. Dann aber befiehlt der Herr auch Cain und die übrigen herzurufen, deren Abwesenheit dem Allwissenden nicht entgangen war. Cain erscheint trotzig mit Strohhalmen und Heufasern im ungekämmten Haar, er kann das Credo nur verkehrt und verstümmelt herausbringen und äußert sich frech. Darauf läßt der Herr den Abel herantreten, legt ihm die Hände auf und weiht ihn zum Priester, den Seth zum König, den bäurischen Cain aber zum Knecht. Als Eva wehklagt, tröstet sie Gott, reicht den Kindern beim Abschied die Rechte und wird von der Mutter noch eine Strecke weit vom Haus begleitet, bis er sie heimkehren heißt und in eine Wolke gehüllt gen Himmel steigt. Weiter zurück, auf das Jahr 1528 weist eine Erzählung in Agricolas Sprichwörtern (in der plattdeutschen Magdeburger Ausgabe Bl. 127b Nr. 264), die sich mehr zu dem Schwank als zu den dramatischen Gedichten und Melanchthon neigen. Geringer ist eine Darstellung in Georg Rudolpf Widmanns wahrhaftigen Historien von den grewlichen und abschewlichen Sünden, so D. Joh. Faustus hat getrieben (Hamburg 1799) 1, 237. 238. Gleichwol zeigen Abweichungen daß Widmann weder aus Hans Sachs noch aus Melanchthon schöpfte, sondern einem andern schriftlichen oder mündlichen Bericht folgte. Der Herr findet das Haus verschlossen und klopft an; Adam und Eva erschauen ihn durch eine Lücke. Auch bei Melanchthon schaut Eva durch das Fenster und

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_252.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)