Seite:Knortz - Hexen, Teufel und Blocksbergspuk in Geschichte, Sage und Literatur.pdf/125

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Folgende Umdichtung der Lilithsage stammt von Herder.

Einsam ging Adam im Paradiese umher; er pflegte die Bäume, nannte die Tiere, freute sich überall der fruchtbaren, segensreichen Schöpfung, fand aber unter allem Lebendigen nichts, das die Wünsche seines Herzens mit ihm teilte. Endlich blieb sein Auge an einem der schönen Luftwesen hängen, die, wie die Sage sagt, längst vor dem Menschen die Bewohner, der Erde gewesen waren und die sein damals hellklarer Blick zu schauen vermochte. Lilis hieß die schöne Gestalt, die, wie ihre Schwestern auf Bäumen und Blumen wohnte und nur von den schönsten Gerüchen lebte. „Alle Geschöpfe“, sprach er bei sich selbst, „leben in Gemeinschaft untereinander; o daß mir diese schöne Gestalt zur Gattin würde!“

Der Vater der Menschen hörte seinen Wunsch und sprach zu ihm: „Du hast dein Auge auf eine Gestalt geworfen, die nicht für dich erschaffen ist, indessen, deinem Irrtum zur Belehrung, sei dir dein Verlangen gewähret.“ Er sprach das Wort der Verwandlung, und Lilis stand da in menschlichen Gliedern.

Freudig wallete ihr Adam entgegen; schnell aber sah er seinen Irrtum ein, denn die schöne Lilis war stolz und entzog sich seiner Umarmung.

„Bin ich“, sprach sie, „deines Ursprunges? Aus Luft des Himmels ward ich gebildet und nicht aus niedriger Erde. Jahrtausende sind mein Leben, Stärke der Geister ist meine Kraft und Wohlgeruch meine himmlische Speise. Ich mag dein niedriges Geschlecht der Staubgeborenen mit dir nicht vermehren.“ Sie entflog und wollte nicht wieder zu ihrem Manne kehren.

Gott sprach: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gattin geben, die sich zu ihm füge.“ Da fiel ein tiefer Schlaf auf Adam, und ein weissagender Traum wies ihm das neue Gebilde. Aus seiner Seite stiegs empor, mit ihm einerlei Wesen. Freudig erwachte er und sah sein zweites Selbst, und als Gott die Liebliche zu ihm führte, siehe, da bewegte sich die Stätte seines Herzens, denn sie war seinem Herzen nahe gewesen.