Seite:Knortz - Hexen, Teufel und Blocksbergspuk in Geschichte, Sage und Literatur.pdf/152

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Die Maus ist ein uraltes Symbol der Seele; verläßt sie den Körper eines Menschen, so ist dieser maustot. Da sie den wichtigsten Bestandteil desselben bildet, so dient ihr Name auch als Kosewort im Englischen und Deutschen. Die deutsche Mutter, die vielleicht erschrickt, wenn ihr eine Maus in der Küche oder im Keller in den Weg läuft, nennt ihr Kind zärtlich „liebes Mäuschen“, Goethe wendet in seinen Briefen und Tagebüchern mit Vorliebe das Wort „Misel“ oder „Meisle“ an, das elsässische Diminutiv von Maus, besonders für seine Geliebte, die ihn zum Dichten anregte. Shakespeare gebraucht mouse nicht nur als Kosenwort für eine Frau, sondern auch manchmal sogar für einen Mann. Unter einem mousehunt (Romeo und Julia IV, 4) versteht er einen Mann, der auf galante Abenteuer ausgeht, also sich ein geliebtes Mäuschen sucht.

Daß die Seele die Gestalt der Maus annehmen kann, bezeugen zahlreiche Sagen und Gebräuche.

Vorsorglich hat nach einer hessischen Sage die Mutter ein Tuch über die Brust ihres Sohnes gebreitet, weil er oft vom Alp gedrückt wird. Als sie ihn nun stöhnen hört, legt sie es an den vier Enden zusammen, tut es in die Schublade der Kommode und läßt den Schlüssel stecken. In derselben Stunde war im Nachbarorte ein Mädchen plötzlich gestorben und sollte nach drei Tagen begraben werden. Da traf es sich, daß der Sohn, den der Alp nicht wieder gedrückt hatte, am dritten Tage zufällig den Schlüssel abzog. Sogleich schlüpfte ein weißes Mäuschen durch’s Schlüsselloch und lief zur Tür hinaus. Im Nachbarorte hatte man gerade den Sarg schließen wollen, als das Mäuschen zur Tür herein und in den Mund der Leiche gelaufen kam; diese öffnete die Augen und gehörte wieder dem Leben an.

Wenn der Bergmeister sein Mittagsschläfchen machte, kam nach Pröhle’s „Harzsagen“ eine Maus aus seinem Munde und schlüpfte in die Erde. Sobald sie wieder zurückkam, wachte der Bergmeister auf und fuhr sogleich in den Schacht; er wußte dann, daß die Knappen falsch gearbeitet hatten oder nicht fleißig gewesen waren.

Jetzt verstehen wir auch den Spielreim, bei dem man mit den Fingern auf die Brust des Kindes deutet: