Seite:Knortz - Hexen, Teufel und Blocksbergspuk in Geschichte, Sage und Literatur.pdf/167

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um es an die zum Fange der Sonne am besten geeignete Stelle zu tragen, so baten sie die Feldmaus, die damals so groß wie ein Büffel war, es für sie zu tun. Diese, ein sehr gefälliges Tier, nahm das Grasseil auf den Rücken, setzte die beiden Menschlein auf ihre Ohren und marschierte nach dem Walde, hinter dem die Sonne am Abende unterzugehen pflegte.

Es war dies eine lange und beschwerliche Reise, und mancher Fluß mußte durchschwommen werden. Als sie endlich am Ziele angekommen waren, kletterte der Mann auf einige Bäume und befestigte sein Grasseil an die Äste also, daß ein Netz dadurch entstand. Und darin wurde die Sonne auch wirklich gefangen. Doch was geschah nun? Bald geriet alles, Gras und Bäume, in Brand, und die beiden Menschen liefen, um ihr Leben zu retten, so schnell wie möglich nach Hause.

„Willst du die Sonne nicht befreien?“ fragten die Tiere die Feldmaus. „Du hast scharfe Zähne und kannst das Seil leicht durchbeißen.“

Und die gute Feldmaus tat es auch, schrumpfte jedoch infolge der dabei ausgestandenen Hitze zu einem kleinen Tiere zusammen und ist so bis auf den heutigen Tag geblieben.[1]

Fausts Aufenthalt auf dem Blocksberge war nicht nach seinem Geschmacke gewesen, und als er schließlich auch noch die traurige Gestalt Gretchens erblickte, die ihm ihr schmachvolles Unglück vorführte, da überhörte er die Aufforderung Mephistos, an einer Theatervorstellung teilzunehmen. Der Augenblick, von dem er wünschte, er möge verweilen, weil er so schön sei, war also noch nicht gekommen, vielmehr in weite, unbestimmte Ferne gerückt. Doch sein ferneres Schicksal interessiert uns hier nicht.


  1. Nach C. S. Bailey’s Firesight Stories, Springfield, Mass 1907. – In dem indianischen Märchen „Von dem Knaben, welcher die Sonne in einer Schlinge fing“ (S. 43, Knortz, Märchen und Sagen der nordamerikan. Indianer. Jena 1871) ist die Rolle der Feldmaus einem Hamster übertragen. – Die Menomini-Indianer haben ein ähnliches Märchen (S. 181, 14th Annual Report of the Bureau of Ethnology, Part. I. Washington 1896).