Seite:Ludwigs des Bayern Königswahlgesetz Licet iuris vom 6. August 1338.pdf/11

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vielleicht gewaltsam erscheinende Lösung, indem er vermuthet, der Text habe ursprünglich ganz mit der Invariata übereingestimmt, sei dann aber an einer Stelle gemäss der Variata geändert worden, während das an anderen Stellen aus Versehen unterblieben sei[1].

Ich kann nun nicht finden, dass der uns überlieferte Text des ‚Fidem catholicam‘ Widersprüche enthält, welche diese gewaltsame Lösung erheischten.

Auf Occams Text soll die entscheidende Stelle verweisen: ‚electus in imperatorem ex sola electione est rex Romanorum et habet auctoritatem, iurisdictionem et potestatem imperialem‘ u. s. w. Müller will den Worten ‚electus in imperatorem‘ keine Bedeutung zugestehen. Ich bin darüber anderer Ansicht. Jedenfalls stimmen sie ebenso wie die Betonung der Reichsrechte nur mit der Invariata, nicht mit Occam. Müller aber erblickt trotzdem in diesem Satze eine Einwirkung der Variata, weil die Worte ‚et dici potest verus imperator‘ hier fehlen, während sie sich in der päpstlichen These, zu welcher jener Satz die kaiserliche Antithese bildet, finden. Ich sehe keinen Grund zu der Annahme, dass jene Worte in der ursprünglichen Fassung der Antithese gestanden hätten, dann aber, um die Uebereinstimmung mit der sog. Variata herzustellen, nachträglich getilgt wären. Es war doch nicht unbedingt erforderlich, die These in jeder Einzelheit ausdrücklich zu bekämpfen. Schliesst sich die Antithese doch auch sonst nicht immer genau dem Wortlaut der These an. Während diese behauptet: ‚electus in regem Romanorum non est verus imperator‘, lautet umgekehrt die Gegenbehauptung: ‚electus in imperatorem est verus rex Romanorum‘. Dass auf die Worte ‚dici potest‘ grosses Gewicht gelegt war, glaube ich nicht, wie ich nachher zeigen werde; jedenfalls aber entspricht der Text von ‚Fidem catholicam‘ auch darin ganz der sog. Invariata, dass er dem ‚non est‘ der These ‚nec dici potest‘ hinzufügt, während der entsprechende Zusatz zu dem ‚est‘ der Antithese fehlt. Ganz ebenso fügt die Invariata das ‚nominandus‘ in nur einem der entsprechenden Sätze hinzu, während dieses oder ein entsprechendes Wort in den Parallelsätzen fortbleibt. Spuren einer älteren Fassung in Folge unvollkommen durchgeführter Korrekturen gemäss der vermeintlichen Variata des ‚Licet iuris‘ vermag ich hier nicht zu erblicken.

  1. Müller a. a. 0. II, 295 ff.