Seite:Mittelalterliches Hausbuch 1887 0009.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

[IX]

die gleich jenen wol als Resultate der Erprobung erfahrener Leute gelten können, ob es sich nun darum handelte, Essig zu machen, Fleckwasser zu bereiten, Stahl zu härten, das Eisen weich und geschmeidig zu machen, ob um die Angabe von Farbestoffen oder um Mittel gegen Wanzen und Motten. Das Wissen aller dieser Mittel trägt den Charakter des Außergewöhnlichen und selbst die Kochrecepte sind solche, die nicht jedermann kannte, mit deren Anwendung aber der Kundige seines Erfolges sicher sein konnte, oder von denen man dies mindestens meinte.

Nun beginnen die Belehrungen über technische Verrichtungen umfassenderer Art, insbesondere über praktische Mechanik.

Auf Blatt 34a ist ein Spinnrad dargestellt; auf der Rückseite ist das Goldast’sche Wappen wiederholt:

Auf Blatt 35a ist ein Bergwerk dargestellt, dessen landschaftlicher Theil bereits ausgemalt ist, während die Figuren noch ohne Farbe sind. 35b ein Abtreibofen, 36a ein Schmelzofen, 36b ein Stampfwerk, 37a u. b Gebläse, 38a u. b Stampfwerke.

Blatt 39 ist leer. Die Blätter 40 und 41 geben berg- und hüttenmännische Belehrungen. An diese schließen sich bis 44b Anleitungen für Münzmeister zum Scheiden der edeln Metalle, sowie Tabellen über den Werth der Gold- und Silberlegirungen.

Blatt 45–47 sind leer. 48a und 48b geben Mühlenconstructionen.

Blatt 49a–56b bringen artilleristische Abbildungen, denen auf 57a–60 die Belehrungen für Büchsenmeister, über Pulverfabrikation, Gießen, Probiren und Bedienen der Geschütze folgt.

Die Handschrift bietet also in der That eine reiche Fülle von Belehrung, weit über das hinausgehend, was man ins Haus brauchte.

____________


Die Handschrift gibt uns Belehrung über den ganzen Umfang des technischen Wissens und Könnens jener Zeit. Auch die Bilder, welche nur Darstellungen aus dem Leben zu geben scheinen, sollen mindestens an solche Künste erinnern, die man lernen mußte, die dem Laien verborgen waren, bei denen der Kundige noch immer bestimmte erlaubte Vortheile wußte, die ihn andern überlegen machten, denen solche nicht bekannt waren. Wenn wir die Bedeutung der Handschrift würdigen wollen, müssen wir sie im Zusammenhange mit einer Reihe anderer betrachten; denn sie hatte ihre Vorgänger und Nachfolger. Die älteste zu dieser Gruppe gehörige Handschrift ist schon fast hundert Jahre älter. Es ist die als Cod. ms. phil. 63 in der Göttinger kgl. Universitätsbibliothek aufbewahrte Handschrift, ein im Jahre 1405 von Conrad Kieser aus Eichstätt, einem Edelmanne, der damals als Verbannter in den böhmischen Wäldern lebte, geschriebenes Werk, welches alle einem praktisch gebildeten Techniker wissenswerthen Künste in zehn Kapiteln behandelt. Im Vorworte ist es der ganzen deutschen Nation, vor allem dem Oberhaupte derselben, König Ruprecht, als Noth- und Hülfsbuch gewidmet. Es besteht fast durchweg aus Abbildungen, deren jede durch einige lateinische Verse erklärt ist, wobei freilich an manchen Stellen der Zusammenhang etwas dunkel bleibt; auch sind die Abbildungen großentheils so gehalten, daß man zweifeln muß, es habe der Verfasser die mechanischen Hülfsmittel, die er vorführt, wirklich zu construiren verstanden. Ohne Zweifel hat er viele derselben überhaupt nicht gesehen; vielleicht konnte sie überhaupt zu jener Zeit niemand construiren, und nur eine unbestimmte, noch

Empfohlene Zitierweise:
August Essenwein: Vorwort zu Mittelalterliches Hausbuch. Bilderhandschrift des 15. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1887, Seite IX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mittelalterliches_Hausbuch_1887_0009.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)