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Gebet für den kranken Gatten.

O, Gott, bewahr und belebe ihn,
Schütze ihn auf seinem Schmerzenslager,
Wende sein Bett um in seiner Krankheit.
 (Psalm 41, 4.)

Allvater, zum Throne deiner Barmherzigkeit flüchte ich mich in trüber Schmerzensstunde. Bei dir, der du von jeher warst mein Retter und mein Helfer, suche ich Trost und Rettung in meiner Noth!

Du hast, Allmächtiger, meinen Gatten, den Vater meiner Kinder, die Krone meines Lebens, mit Schmerz und Krankheit heimgesucht. Sein theures Leben sehe ich bedroht, und mit Angst und Bangen „schaue ich, von wannen meine Hilfe kommt.” Nicht von Menschen erwarte ich sie. Menschenhilfe ist schwach und ohnmächtig, und zersplittert wie ein schwaches Rohr gegen deinen allmächtigen Willen; Menschensinn ist blind, so nicht ein Lichtstrahl von oben ihn erleuchtet. Nur in deiner Hand liegt die Kraft und die Allgewalt, in deiner Hand der Kelch des Heils; nur du bist ein treuer Arzt, wahrhaft und voll Erbarmen. Darum harre ich, Ewiger, auf deine Hilfe, zu dir schaut mein Auge auf im sehnsüchtigen Hoffen, zu dir spricht meine bebende Lippe, ruft mein Herz in seinen stummen Schmerzenstönen, und mein ganzes Wesen löst sich vor dir auf in glühende Wünsche und Gebete. Ach, Allerbarmer, erhöre mich und laß mir wieder leuchten dein freundlich Angesicht, errette mir den Gatten, schenke ihm wieder die Fülle der Gesundheit, gieb ihm wieder die Kraft, für sein Haus, für seinen Beruf, für seine Pflichten zu leben und zu wirken; erhalte ihn für unsere armen unschuldigen Kinder, als deren Ernährer, Erzieher und Beschützer auf Erden du ihn berufen hast. Erhalte mir, o Gott, den treuen Lebensgefährten, meinen zuverlässigsten Freund auf Erden! Er ist die Sonne, das Licht meiner Tage, und wenn dieses mir erlischt, dann ist Nacht und Finsterniß mein Loos. Er ist der Pfeiler meines Hauses, wenn dieser wankt, dann erbebt und sinkt mein Alles zusammen. An seiner Hand gehe ich unverzagt durch die dunklen Wege des Ungemachs, trage ich kraft- und muthvoll, was du, o Herr, mir auferlegst, aber ach, ohne ihn bin ich eine Ranke ohne Stütze, ein mast- und steuerloses Schiff auf offener stürmischer See.

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)