Seite:Neuda-Stunden der Andacht-1858.pdf/122

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Herz, daß ich meinen Eltern fortwährend ein gutes, ehrfurchtsvolles Kind sei, und stets ehrerbietig, ergeben und treu mich gegen diejenigen bezeige, unter denen ich stehe und aus deren Hand ich meinen Lebensunterhalt empfange. Laß mich dadurch in ihren Augen Liebe und Wohlgefallen finden, und bei allen Menschen diejenige Zuneigung und Achtung, die Jeder, auch der Aermste und Geringste, sich durch einen gottgefälligen, bescheidenen und tadellosen Wandel erringen kann, und die gerade der Reiche oft durch ein hochmüthiges und kränkendes Wesen verliert. Aber vor Allem, Allvater, versage mir deine Liebe nicht; laß aus Allem, was ich beginne, deinen Segen ruhen. Stehe mir bei, daß ich niemals einer Versuchung zum Schlechten unterliegen möge, wie lockend auch die Gelegenheit sich mir dazu darbiete, und leite mich mit deinem Rathe auf den Weg des Rechts und der Unschuld, der allein zur Ehre führt und zum Heile. Amen.


Gebet um Geduld und Kräftigung in schweren Leiden.

„Wer bildet Licht, wer webet Finsterniß,
Wer schafft das Glück, wer schicket Kümmerniß?
Ich der Ewige.”
 (Jes. 45, 7.)

Gott, mein Herr! dich sucht mein nasses Auge in den weiten Räumen der Schöpfung; dich sucht meine Seele, um vor dir auszuschütten ihr Leid; zu dir steigt auf meiner Lippen Klageton! Leiden und Drangsale haben sich über mein Haupt ergossen, und mein Herz ist bittern Grames voll. Gar oft sündige ich in meinem Schmerze vor dir, oft möchte ich rechten mit des Geschickes Herrn und Meister, möchte klagen gegen den Allmächtigen, und schmerzlich bangend frage ich mich: Habe ich so Bitteres verschuldet, hat Gott der Allerbarmende sein Antlitz von mir abgewendet in unversöhnlichem Zorne, daß meine Thränen vergebens vor ihm fließen, und mein Bitten und Beten nicht sein Ohr erreicht? Schwer liegt auf mir des Unglücks Last, und wie ich auch dagegen ringe, ich besiege es nicht. Ach, im Unglücke erst lernen wir die menschliche Ohnmacht und Hilflosigkeit kennen, im Unglücke erkennen wir erst, daß nur du unsre Stütze bist und unsre Kraft,

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/122&oldid=- (Version vom 1.8.2018)