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das mich, die ich hier auf Erden lebe, mit dir in deinem Himmelsreiche verbunden hält und jede gute That, die du aus deiner Höhe mich hier vollführen siehst, sei dir ein Liebesband und Pfand von deines Kindes frommen Wunsch und Willen, dir zu gefallen und dich zu ehren noch im Jenseits.

Und du, Allgütiger, der du Vater, Herr und Meister bist aller Wesen im Himmel oben und auf Erden unten, nimm die Gefühle meiner kindlichen Trauer wohlgefällig auf und erhöre mein Gebet: Nimm den theueren Verklärten – die theuere Verklärte – gnadenvoll auf an deinen lichten Himmelsthron, im Kreise deiner heiligen Engel, um theilhaft zu werden jener unaussprechlichen, nie geschauten, nur geahnten Seligkeit des Jenseits.

Mir aber, mein Gott, stehe zur Seite mit deiner Liebe, deinem Rathe und deiner Hilfe. Lege deinen göttlichen Trost mir ins Herz und lehre mich mein Leben lang wandeln den Weg der Gottesfurcht und der Tugend, daß ich stets würdig sei deines Wohlgefallens und der Liebe der theuern Verklärten, die in deiner Nähe weilen. Amen.


Am Grabe des Vaters.

Gott, auf dieser Trauerstätte, wo die irdischen Ueberreste meines heimgegangenen Vaters ruhen, will ich seinem Angedenken meine kindlichen Thränen und Gefühle widmen. Nun ich ihn, den Theuern, verloren habe für dieses Leben, erkenne ich erst recht, welchen Schatz von Liebe ich in ihm besessen. Er, der treue Führer meiner Jugend, mein Leiter, mein Warner und Berather hat mit weiser Sorgfalt für das Gedeihen meines Geistes, wie meines Leibes gesorgt, er hat meinen Verstand erleuchtet, mein Herz mit der Liebe zum Guten erfüllt; er hat für mich gestrebt und gerungen, sich gemühet und gequält und mit Muth und Freude den Kampf des Lebens auf sich genommen, um seinem Kinde die Freuden des Lebens zu verschaffen! O mein guter Vater, indem ich deiner gedenke, strömen meine Thränen und mein Herz überfließt von Liebe und Schmerz. Doch was kann dir meine Liebe nun nützen! sie kann dir nunmehr keine irdischen Freuden und kein irdisches Glück bereiten, dir, der nun schon fern ist von allen Erdenwünschen, Erdenbedürfnissen und Erdensorgen!

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/140&oldid=- (Version vom 1.8.2018)