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bevölkert sich mit Sternen, jenen leuchtenden, strahlenden Wesen, die so mild und beschwichtigend, als wären sie Gottes vermittelnde, friedenbringende Boten, auf uns niederschauen, und unsere Blicke von dem Irdischen ab- und zu dem Himmlischen hinauflenken. Feierlicher Ernst erfüllet unsere Seele, und von tieferen heiligen Empfindungen durchströmt, erhebt sich unser Herz zu dir, Unsichtbarer, Unbegreiflicher, der du überall uns umgibst und gegenwärtig bist, im tiefsten Dunkel der Nächte, wie inmitten des Tages Licht und Helle.

Ich hebe meine Hände zu dir empor, mein Gott, und danke dir aus tiefer Seele für Alles, womit deine Vaterhuld mich heute hat bedacht, für jede Segnung, mit der du mich begnadigt, für jede Freude, mit der du mein Leben geschmückt. Und auch für das Traurige und Betrübende, das du aus meinen Weg gelegt, will ich dich preisen; denn Alles, was du thust, ist wohlgethan!

Du hast diesen Tag geschaffen, mit Allem, was er enthalten, du führst nun auch die Nacht herauf mit ihrer stärkenden Ruhe, mit ihrem erquickenden Schlafe, und über dem Schlafe wachest du, der du nimmer schläfst und schlummerst. Dein allsehendes Auge ruht auf den in Ohnmacht und Bewußtlosigkeit geschlossenen Lidern; deine schirmende Hand streckest du aus über das Lager des Schlummernden zum Schutze gegen die Gefahren, die im Dunkeln lauern! – Wie wohl thut mir der Gedanke: Du Gott bist mir nahe, du schirmest, du wahrest und hütest mich! Ohne Zittern und Zagen gehe meine Seele zur Ruhe, der Herr ist bei dir, was könntest du fürchten! Stärket euch, ihr ermatteten Glieder, erhebe dich, mein erschöpfter Geist, wirf von dir, mein Herz, deine Kümmernisse und Sorgen, deine Lasten und Beschwernisse, und gib dich ganz und ungetheilt hin den Süßigkeiten der Ruhe.

Doch nur einem reinen Gewissen ist der Schlaf sanft und erquickend; drum, Vater, bevor ich mein Lager suche, flehe ich voll Demuth und Inbrunst dich an. Vergib und verzeihe mir, wenn ich heute vor dir gefehlt, und mein Thun und Lassen dir mißfällig war. Blicke versöhnt auf meine Reue nieder, entziehe mir nicht deinen Schutz, und laß mich einer ungestörten, ungetrübten Ruhe genießen, und des Morgens wieder neu belebt und gekräftigt erwachen, zu nützlicher Thätigkeit, und zu frommem Wirken und Schaffen, nach deinem Wohlgefallen. Amen.

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)