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ungetrübt von Gram und Schmerz; erleuchte ihn mir durch das segensvolle Licht deiner Huld und Gnade, die du nimmer versagen und entziehen wollest mir und den Meinigen und der ganzen großen Menschenwelt. Amen.


Am Dienstag.

 „Gott sprach:
„Ein Meer von Blumen, Blüthen, Sprossen,
„Sei übers Erden-Antlitz ausgegossen!”
 (1. B. M. 1, 11.)

Ewiger Gott und Vater! Tiefe unnennbare Rührung ergreift mein Gemüth, wenn sich mein Blick in deine reiche, gesegnete Schöpfung verliert. Wie vieles Schöne, Herrliche, Wundervolle tritt uns darin entgegen, in dem all deine Huld und Treue, all deine unbegrenzte Vaterliebe so sichtbar sich ausspricht. Was könnte nur immer das verlangende Menschenherz sich wünschen, das deine reiche und schöne Schöpfung ihm nicht in Hülle und Fülle darbietet! Was den Körper nährt und kräftigt, was das Herz erquickt und erfreuet, was den Geist adelt und erhebt, hast du für ihn hervorgerufen. Du ließest an die Erde dein göttliches Wort ergehen – da sprießte der Boden hervor die unzähligen Keime und Sprossen, das wogende Korn, den fruchttragenden Baum, die farbenschimmernden Blumen, die heilbringenden Kräuter; da bildete sich der sprudelnde Quell, der brausende Strom, das weite, unübersehbare Meer.

Wenn mein Herz an alles dieses denkt, dann zieht Hoffnung und Vertrauen in mein Gemüth ein; der Gott, der diese Welt zur Heimath des Menschenkindes so wundervoll hat ausgestattet, zur Sättigung seines Hungers, wie zur Erquickung seiner Augen, wie zur Erfrischung und Belebung seines Geistes: dieser liebevolle Gott sollte nicht auch immer noch voll vorsorgender Vaterliebe auf seine Menschenkinder niederblicken, jedes Unheil von ihnen abwenden, die Bäume des Glücks für sie erblühen, die Blumen der Freude für sie sprossen lassen, und seinen Engeln befehlen, daß sie uns auf ihren Händen tragen? – Der Gott, der dem Meere seine Gesetze angewiesen, daß es das trockene Land nicht überschwemme, der befiehlt auch meinen Thränen, die der Schmerz erpreßte, daß sie

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)