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Und zu der Jugend spricht der Mond in seiner stummen und doch so mächtigen Beredtsamkeit; Ihr, die ihr im Neumonde des Lebens steht, nehmet auch ihr mein Bild euch zur Lehre. Wie ich von Tag zu Tag immer zunehme an Licht und immer höher steige auf meiner Bahn, so möget ihr mit jedem Tage zunehmen an Licht und Kraft des Geistes, und immer höher streben auf der Bahn eurer Bestimmung, damit ihr nicht der trostlosen Nacht der Unwissenheit und der Sünde anheimfallet und euer Leben nicht im Dunkel der Thatenlosigkeit unbemerkt dahinschwinde, sondern im hellen Glanz der Weisheit und der Tugend die Welt erleuchte und erfreue.

Dem Greise aber, der im letzten Lebensviertel matt und gebeugt einhergeht, sein Licht immer abnehmen und schwinden sieht, dem ist der Mond in seiner Höhe ein gar beredter Tröster, und jede Neumondsverkündigung ist für ihn eine himmlische Verheißung des jenseitigen Lebens, „denn zum Monde sprach der Herr, daß er sich erneue, ein glänzend herrlich Bild für die Erdensöhne, daß auch sie gleich ihm sich einst erneuen und verjüngen, zum Ruhm und zur Verherrlichung ihres Schöpfers.”

Wie er vor unseren Augen abstirbt und erbleicht, um wieder von Neuem in verjüngter Gestalt zu erscheinen, so der Mensch in seiner Unsterblichkeit. Hier erlischt sein Lebenslicht, aber dort in den jenseitigen Gefilden, wo kein Wechsel ist und kein Wandel, sondern nur Ewigkeit und Freuden der Ewigkeit, strahlt es wieder auf, um nimmermehr unterzugehen.

So möge denn, Allgütiger, der Mond sich erneuen zum Heil und zum Segen für mich und für die gesammte Menschheit, sein trostreiches, erhebendes Bild uns stets vor Augen sein und Hoffnung und Zuversicht, Muth und Vertrauen, fromme Vorsätze und Bestrebungen uns ins Herz legen.

Möge der kommende Monat mir und den Meinen Alles bringen, was zu unserem wahren Wohl gereicht: Gesundheit der Seele und des Körpers, innern und äußern Frieden, gesegnete Früchte unsrer Thätigkeit und eine reiche Saat für unser ewiges Heil.

Amen.
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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)