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vermag. Kein Schatten umdunkelt das stille Verdienst, und keine Ungerechtigkeit verbittert des Edlen Gemüth. –

Da weilen die Theuern, die uns voraus gegangen sind, da weilt der verklärte Geist – meines geliebten Vaters – meiner geliebten Mutter – – … In Liebe und Herzinnigkeit gedenken wir ihrer heute vor dir, mein Gott, und beten zu dir für die Ruhe und für den Frieden ihrer unsterblichen Seele. Gib ihnen, Herr, einen hellen, lichten und heitern Sitz in deinem Himmelreiche, daß jede Sünde ihnen sei vergeben, und jede Schuld ihnen sei erlassen, daß sie in deiner Nähe mögen leben, ein ewiges und seliges Leben, geläutert und gereinigt, verklärt und beseligt in der Anschauung deiner Herrlichkeit und im Glanze deiner Gottesnähe. Amen.


Zu Mincha des Versöhnungstages.

Liebe und Gerechtigkeit übe und hoffe
immer auf deinen Gott.
 (Hos. 7, 2.)

Allerbarmer, ohne Unterlaß steigt unsre Andacht zu dir auf, um Versöhnung und Vergebung zu erflehen für unsre Sünden, die wir aus ganzem Herzen und voller Seele bereuen. – Doch unsre Reue, wie nichtig, wie fruchtlos ist sie, wenn sie nicht die Mutter frommer Entschlüsse und edler Thaten wird; wenn sie nicht als Wecker und Wächter unsres bessern Ichs sich hinstellt, daß es nicht wieder untergehe in dem wogenden Strom des weltlichen Treibens und Jagens.

O, daß die Reue, die ich empfinde, eine solche Wirkung auf mich nicht verfehle, daß ich stets von dem Sündhaften mit seinen traurigen Folgen fern bleibe, daß ich mit allen meinen Kräften dem Guten nachstreben und in allem Edeln und Gottgefälligen ein Vorbild für mich suchen und finden möge.

Und wie viele erhabene Vorbilder bietet mir hierzu die heilige Schrift aus dem Leben der Stammväter unsres Volkes, jener großen und heiligen Männer, die vor dir gewandelt in noch unerreichter Hingebung, und deren Leben wir heute vor dir gedenken zu unsrer Versöhnung und Begnadigung vor deinem Throne.

Jizchak, den längst Ersehnten, den Einzigen, das Kind seines Alters, führt Abraham auf Gottes Wort als Opfer zum Altare

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/73&oldid=- (Version vom 1.8.2018)