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den Geist der Sanftmuth und der Geduld, den Geist der Versöhnlichkeit und des Entgegenkommens.

Deinem Schutze, Allgütiger, befehle ich mich, auf deine Kraft und deinen Beistand hoffe ich, deine Gnade und deine Huld möge mich umgeben. Amen.


Gebet der Braut am Hochzeitstage.

„Ich will nur noch einmal Vater und
Mutter küssen, dann folge ich dir.“
 (1. Könige 19, 20.)

Allmächtiger, eine große, folgenreiche Stunde nahet für mich heran, die Stunde, in der ich den ehelichen Bund mit dem Manne schließe, den deine Vorsehung mir zum Gefährten auf meinem Lebenswege bestimmt hat. Tief ergriffen von der hohen Bedeutung dieser Stunde, so entscheidend für mein ganzes Dasein, nahe ich mich dir, Allbarmherziger, um von dir, der du Herr bist der Gegenwart wie der Zukunft, Segen und Beistand zu erflehen.

Was die Zukunft für mich in ihrem Schooße birgt, wer könnte, wer wollte das ergründen? wer ihren Schleier lüften? Doch, ob Freude oder Leid meiner harren, ob mein Lebenspfad licht oder dunkel sein wird, dir, mein Gott, befehle ich meine Wege, deiner Vatergüte vertraue ich mein Geschick an, und zage nicht und fürchte nicht, „denn du wirst alles wohl und weise machen. In deiner Rechten ist Huld und Liebe.“ Doch, mein Gott, mit diesem Schritte heute übernehme ich oft süße, oft schwere Pflichten, ein neues Blatt beginnt in meinem Lebensbuche, ein neuer Kreis von Obliegenheiten eröffnet sich vor mir. Leicht ist es an der vorsorglichen Hand liebender Eltern durchs Leben gehen, aber anders ist es, als Gattin und Hausfrau selbstständig den Weg sich vorzeichnen, allen Anforderungen dieses seligen Doppelberufes würdig zu entsprechen. Ich schließe mich auf ewig an ein Wesen, das mir von nun Alles in Allem sein soll, seine Zufriedenheit meine höchste Aufgabe, sein Glück mein theuerstes Gut, seine Liebe mein schönstes Ziel, damit ich sein Trost in trüben Stunden sei, sein höchstes Glück in guten Tagen, seine Freundin und Gehilfin bei allen Mühen und Beschwernissen seines Standes, und ihm in allen Lagen des ereignißreichen Lebens eine von Natur

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)