Seite:Oberamt Tettnang 166.jpg

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unterliegen sehen. Ein alte Handschrift schreibt auch wirklich die Erbauung der Stadt den Einfällen der Hunnen zu.

Nach der Auflösung der Gauverfassung erscheint Buchhorn als Eigenthum und Sitz der Grafen von Buchhorn und als Hauptort der Grafschaft Buchhorn. Der erste, der Graf von Buchhorn, oder richtiger Buchhorner Graf Comes Buchhornensis, genannt wurde, war Graf Ulrich d. j., nach Neugarts genealogischer Übersicht (Episc. Const. p. 198), ein Sohn des Grafen Ulrichs, Gaugrafen im Linz- und Argen-Gau. Er hieß der Buchhorner, weil er zu Buchhorn seinen gewöhnlichen Sitz hatte. Vergl. S. 85.

Seine Gemahlin Wendelgard war eine Enkeltochter Kaiser Heinrichs I. Das Andenken beider lebt zum Theil noch unter den Anwohnern des Bodensees in der Erzählung von ihrem tragischen Schicksal fort.[1] Der letzte


  1. Die Geschichte davon, wie sie von den ältern Schriftstellern berichtet wird, ist kurz Folgende. Im Jahr 916 machten die Hungarn einen abermaligen Einfall in Deutschland und zogen verheerend durch das Bayerland heran. Der tapfere Graf Ulrich ging ihnen entgegen, fiel aber in der Schlacht in die Hände des Feides und wurde gefangen fortgeschleppt. Die Seinigen hielten ihn für todt, und so erhielt auch Wendelgard die Nachricht, der Graf sey gefallen. Untröstlich über diese Botschaft zog sich die treue Gräfin in die Frauenklause bei St. Gallen zurück, und empfing aus der Hand des Bischofs Salomon den Schleier. Alljährlich verfügte sich die Gräfin nach Buchhorn, um dort in der Mitte ihrer Getreuen und ehemaligen Diener mit Gebet und Almosen den Todestag des Gatten zu feiern. Vier Jahre waren verflossen, als bei der Wiederholung dieser Feier – es geschah im Jahr 919 – während Wendelgard mit Austheilung von milden Gaben beschäftigt war, durch die versammelte Volksmenge sich ein zerlumpter Bettler zu ihr hindrängte, ungestümm um ein Almosen bat, und nachdem er es empfangen hatte, die Geberin in seine Arme schloß. Entrüstet über eine solche Frechheit, rief die Gräfin ihre alten Diener zu Hülfe und diese schickten sich auch eben an, die Beleidigung zu rächen, als der Bettler seine Lumpen abwarf, und Ulrich, der betrauerte Gatte und Gebieter, vor ihren Augen stand. Thränen der Freude flossen, lauter Jubel verbreitete sich unter dem Volke. Aber jetzt bemerkte Ulrich den Schleier seiner Gattin, fragte nach dessen Bedeutung und vernahm mit Überraschung ihr Gelübde. Tief betrübt, beschloß auch er das Mönchsgewand anzulegen, wenn nicht die Kirche die Wiedervereinigung gestatten sollte. Dieß geschah: in einer von dem Bischof Salomo zusammenberufenen Versammlung fiel die Entscheidung dahin aus: Älter ist das Gelübde, das Wendelgard ihrem Gemahl gethan; sie werde dem Gatten zurückgegeben, der Schleier aber aufbewahrt, um von Wendelgard wieder angelegt zu werden, wenn der Gemahl vor ihr sterben sollte. Dieß war jedoch nicht der Fall. Wendelgard starb vor ihm, während der Geburt eines Sohnes, s. S. 86.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Tettnang. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1838, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Tettnang_166.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)