Seite:PalagyiRaumzeit.djvu/8

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zu flimmern beginnt und wir die Dinge mit ihren sprachlichen Zeichen vermischen und verwirren.

Nun fühle ich es aber selbst nur zu sehr, wie skizzenhaft diese Darstellung meines erkenntnistheoretischen Grundgedankens ist. In einer ungarischen Schrift (Az ész törvénye = Das Gesetz des Verstandes) habe ich ihn ausführlich auseinandergesetzt, und muß daher um eine nachsichtige Beurteilung desselben bitten, bis ich meine grundlegende Arbeit auch in deutscher Sprache veröffentlichen kann.

Im Anschlusse an den obigen Gedankengang fand ich, daß auch die herrschende Lehre vom Raume und der Zeit an jener falschen Doppelsichtigkeit unseres Verstandes kränkelt. Wir lassen uns durch die Zweizahl dieser Begriffe hinreißen und werden dazu verleitet, den Raum und die Zeit als zwei selbständige und voneinander unabhängige Anschauungsformen aufzufassen. Bedenken wir jedoch, dass die Natur selbst, wo sie uns irgend eine physische Erscheinung zur Verfügung stellt, dieselbe nie bloß im Raume oder bloß in der Zeit, sondern in beiden Formen zugleich realisiert, so wird es uns bald einleuchten, daß erst unser denkender und an die Sprache gebundener Verstand die einheitliche Raumzeitform in die zwei Formen des Raumes und der Zeit zerlegt. Ich bin also in der folgenden Darstellung einer neuen Theorie des Raumes und der Zeit bemüht, die begriffliche Zweiheit der beiden Formen von ihrer wirklichen Einheit wohl zu unterscheiden und sowohl dieser begrifflichen Dualität als auch der realen Einheit derselben nach Kräften gerecht zu werden. Dadurch ergiebt sich mir die Idee von einem »fließenden Raume«, in der der Raum als ein sich in der Zeit stetig erneuernder aufgefaßt wird.

Ich wurde in dieser Auffassung bestärkt durch die Beschäftigung mit der neueren (projektiven, synthetischen) Geometrie. Der geniale Meister dieser geometrischen Methode,

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Menyhért Palágyi: Neue Theorie des Raumes und der Zeit. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1901, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PalagyiRaumzeit.djvu/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)