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Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn

Rundung, in welcher die Fixsterne die sich immer gleichbleibende wahrhaft göttliche Reigenbewegung vollführen, ohne je von der Stelle zu weichen, die ihr Schöpfer, der Allvater, ihnen in der Weltordnung angewiesen hat. Der andere ist die innere Sphäre, die Gott sechsfach schied und in sieben einander entsprechende Kreise teilte, denen er je einen der Planeten einfügte; 24 wie einen Wagenlenker auf einen Wagen setzte er das Gestirn in seinen Kreis, vertraute aber die Zügel keinem der Wagenlenker an, aus Besorgnis vor ihrer fehlerhaften Lenkung, sondern behielt alle Zügel bei sich selbst in der Ueberzeugung, dass eine harmonische Ordnung der Bewegung nur so entstehen werde; denn mit Gott ist alles lobenswert, wie ohne Gott tadelnswert. 25 (8.) Die Cherubim werden also nach der einen Erklärungsart so gedeutet. Mit dem flammenden und sich drehenden Schwert aber ist, wie wir annehmen müssen, ihre Bewegung und der ewige Kreislauf des ganzen Himmels gemeint. Nach anderer Auffassung bedeuten die Cherubim vielleicht die beiden Halbkugeln; sagt doch die Schrift von ihnen, dass sie mit ihren Gesichtern einander zugekehrt sind und mit ihren Flügeln sich auf die Sühnplatte neigen (2 Mos. 25,19), und sind doch auch diese (die Halbkugeln) einander zugekehrt und zur Erde geneigt, dem Mittelpunkt des Weltalls, durch den sie auch voneinander geschieden sind[1]. 26 Die Erde ist der von allen Teilen der Welt allein fest stehende und ist darum von den Alten zutreffend Hestia genannt[2], damit die durchaus harmonische Umkreisung der beiden Halbkugeln um etwas fest Stehendes erfolge. Das flammende Schwert aber ist Sinnbild der Sonne[3]; denn diese ist eine Verdichtung vielen Feuers und das schnellste aller Dinge, so dass an einem Tage die ganze Welt von ihr umkreist wird.


  1. Dieselbe Deutung gibt Philo als überliefert im Leben Mosis II § 98.
  2. Die Göttin Hestia (Vesta) wurde mit der Erdgöttin identifiziert (Eurip. frg. 944, angeblich nach Anaxagoras) und dies etymologisch begründet (διὰ τὸ ἑστάναι), weil die Erde als der ruhende Mittelpunkt des Weltgebäudes galt (Corunt. Theol c. 28).
  3. Diese Deutung wird von Philo auch in den Quaest. in Gen. I § 57 erwähnt.
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/012&oldid=- (Version vom 20.6.2021)