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Marie Petersen: Prinzessin Ilse

zu stählen und ihm die geeignete Form zu geben, die es für die Zwecke menschlicher Betriebsamkeit tüchtig macht.

Da konnte man die kleine Ilse emsig an der Arbeit sehen, von früh bis spät, ohne daß sie des sauren Werks unlustig oder müde wurde. Wer ihr aber im Thale begegnete, wie sie strahlend in schimmernder Reinheit aus dem Walde hervor trat, der mußte gleich die Prinzessin vom reinsten Wasser, die Tochter des Lichts in ihr erkennen und ihr im tiefsten Herzen huldigen. Eine Heilige war die kleine Ilse darum doch noch nicht geworden, und wenn der liebe Herrgott ab und zu einen Gewittersturm über sie hereinbrechen ließ, der ihre Wasser bis in den tiefsten Grund aufwühlte und alle verborgenen Sünden und Sündchen an’s Licht brachte, von denen keine Erdbewohnerin, und wär’s auch die hochgeborenste, ganz rein ist, so war die kleine Ilse tief bekümmert, wie trübe und fleckig ihre Wellchen sich dann darstellten. Sie ließ sich das Ungewitter aber dazu dienen, wozu einem Jeden die Stürme des Lebens dienen sollten, zur Selbsterkenntniß und Läuterung, – und wenn alles Unreine in ihr sich ausgeschieden und abgeklärt hatte, dann zog sie am herrlichsten und mächtigsten einher und ließ das empfangene Himmelslicht in erneuerter Kraft und Klarheit von sich ausstrahlen.

Ein tiefes Herzeleid hatte die kleine Ilse noch zu bestehen, als im Gefolge der immer weiter greifenden Cultur in neuerer Zeit auf zahllosen Karrenrädern eine breite Chaussee das Thal heraufgekrochen kam, mit Spaten und Steinhauern den grünen Waldboden zerwühlte, wieder eine Menge herrlicher Bäume zu Boden schlug, und mit scharfen Waffen sich den Weg erkämpfte, den sie nur durch Gewalt erringen konnte. „Das halt ich nicht aus! Das laß ich mir nicht gefallen“, rief die kleine

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Marie Petersen: Prinzessin Ilse. Alexander Duncker, Berlin 1857, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prinzessin_Ilse_(Marie_Petersen).pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)