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Aber der ältere der beiden Wandersleute sagte: „Mein Sohn, Du sprachest falsch. Alte Lieder loben noch den Ritter und sein Geschlecht. Der Ritter lebte auf Erden in der Zeit des herrlichen Minnegesanges. Sein eigener Gesang ertönte wundervoll und machte die Wassergeister neidisch, welche da unten in der Tiefe auch ihre Lieder singen, wenn die Wogen zusammenschlagen.

Aus Neid haben darum die Wassergeister den Sänger und sein Schloß in die Tiefe gezogen, wie noch jetzt alles Hohe den Neid erregt.“

Jetzt traten alle Drei in den dunkelen Wald ein. Die Erzählungen schienen den Fremden gefreut zu haben, ganz besonders aber die des älteren Wanderers. Doch äußerte er sich nicht über die beiden verschiedenen Erzählungsarten. Der Fremde sprach nur. „Seid Ihr Freunde des Liedes, so soll Euch auch Gesang erfreuen.“ Sogleich erhob sich mächtiger Gesang, stärker als die Wogen des Sees und entzückender als Alles, was das Ohr der beiden Reisenden bis dahin vernommen hatte.

Als sie aber aus dem Walde heraustraten, war der Fremdling von ihrer Seite verschwunden. Seine Gestalt neigte sich wie ein Schatten über den ganzen See hin, in welchem sie endlich verschwand.

Es war kein Zweifel: der Fremdling war der Ritter selbst gewesen, ein herrlicher Minnesänger, der hier einst in seinem Schlosse von den neidischen Wassergeistern hinabgezogen war in die Tiefe und der noch viel schöner sang als die Wogen tönten!

Zur Erläuterung des schönen Gedichtes kann es noch dienen, daß die zu Grunde liegende Volkssage, im Laacher See sei ein Schloß versunken, sogar auf einer geschichtlichen Thatsache beruht. Pfalzgraf Siegfried hatte nämlich die Pflicht auf sich genommen, ein Kloster am Laacher See zu bauen. Aus Reue darüber, daß er dieser Verpflichtung so lange nicht nachgekommen war, ließ er endlich selbst sein Schloß zerstören. Es war also wie in den See versunken.

Pfalzgraf Siegfried hatte die Verpflichtung das Kloster zu bauen schon durch seine Eltern Heinrich und Adelheid erhalten. Diese waren lange über den Ort, wo es errichtet werden sollte, unschlüssig gewesen. Da wurde ihnen derselbe durch höhere, himmlische Zeichen angedeutet.

Von der Burg herab sahen sie einst des Nachts das ganze waldumkränzte

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/152&oldid=- (Version vom 1.8.2018)