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seinen Füßen. Sein Wort soll ins Gewicht fallen, wenn man nach mir einen Kaiser erwählt. Das alles, o Herr, habe ich zu Deinen Ehren so eingerichtet. Solches hat kein König für Dich gethan, der jetzt auf der Erde lebet. Nun aber laß mich auch heute wissen, wie Du mich belohnen willst.“

Das war das Gebet, das der Kaiser am Tage der Einweihung des Domes zu Magdeburg vor allem Volke hielt, und das mit den Weihrauchwolken zum Himmel drang.

Da vernahm der Kaiser vor dem Altare die zürnende Stimme eines Engels, den Gott zu ihm sandte. Dieser sprach:

„Als Gott Dir die höchste Würde auf Erden verlieh, da hat er große Mängel an Dir übersehen. Wenn er Dich nun immer in völliger Reinheit des Herzens gefunden hätte, so würde wohl auch fernerhin ein Stuhl in seiner Nähe für Dich bereit gestanden haben. Allein nun hast Du mit Deinem stolzen Rühmen Dich selbst bezahlt gemacht. Du hast Deinen Lohn dahin. Deine Verdienste sind vor Gott nicht so groß, als Du selber sie schätzest. Es könnte Dir sehr lieb sein, wenn Dein Ruhm vor Gott nach der Schätzung der Engel nur dem eines gewissen jetzt lebenden Kaufmanns gleich wäre.“

Betroffen sprach der Kaiser: „Der Weg zu Gott stände einem Kaufmanne offen, und mir wäre er verschlossen? So bitte ich Gott, daß mir der Name dieses Kaufmannes genannt werde, damit ich von ihm erfahren kann, welcher Weg zu Gott führt.“

Der Engel sprach: „Er wird der gute Gerhard genannt und führet Lot und Elle wohl zu Köln am Rheine.“

„Herr, mein Gott,“ sprach der Kaiser, „was kann ein solcher Mann nur Großes vollbracht haben, daß er jetzt so hoch in Deiner Gunst steht? Ich werde Boten zu ihm senden, daß sie mir Kunde davon bringen.“

„O laß die Boten,“ vernahm er wieder des Engels Stimme, „und wenn Du Dich selbst aufmachtest und kämest zu ihm, den alle Welt als den Guten preist, Du würdest nichts von seinen Thaten vernehmen. Wohl wäre er lieber tot, als daß er eigenen Ruhm Dir erzählte, der doch so groß ist, daß Dein Verdienst ihm gegenüber Dir nur als eitler Wahn erscheinen würde.“

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/230&oldid=- (Version vom 1.8.2018)