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der hatte sich niedergelegt zum Schlafen. Dabei hatte er seinen Kopf auf seinen rechten Arm gelegt, die Rechte selbst aber ruhte auf seinem Schilde.

Der Schwan steuerte rheinauf wie ein erfahrener Seemann und brachte sein Schifflein glücklich an’s Ufer, worob der Kaiser und sein ganzer Hofstaat sich höchlichst verwunderten.

Darüber hatte nun jedermann die Klage der beiden Frauen von Brabant vergessen, und alle liefen dem Rheine zu. Da erwachte der Ritter und stieg aus dem Schifflein. Zu dem Schwane sprach er:

„Fliege deinen Weg wohl, du lieber Schwan! Wenn ich deiner wieder bedarf, so will ich dich rufen.“

Da gab sich der Schwan einen Schwung im Wasser, wie wohl Schwäne thun und fuhr mit seinem Schifflein davon, man wußte nicht, ob er schwamm oder flog, so schnell war er mit seinem Fahrzeuge aus den Augen der Zuschauer verschwunden.

Der Kaiser aber empfing den Schwanenritter auf’s beste, ergriff seine Hand und führte ihn selbst auf die Burg.

Als nun alle in den Kaisersaal eingetreten waren, so ließ der Kaiser die Hand des Schwanenritters los, und dieser verlor sich in der Menge der anwesenden Fürsten und Herren. Der Kaiser aber setzte sich auf den Thron und hörte jetzt die Klagen der Herzogin von Brabant und ihrer Tochter an.

Darauf behauptete der Herzog von Sachsen, daß seine Schwägerin und seine Nichte Brabant nach altem Rechte nicht von seinem Bruder erben dürften. Es war aber zweifelhaft, wie die Vorfahren bei der Nachfolge in der Herrschaft über Brabant es früher gehalten hatten. Darum verlangte der Herzog von Sachsen zuletzt, daß die beiden Frauen entweder auf die Erbschaft verzichten oder ihm einen Kämpfer stellen sollten, welcher ihre vorgeblichen Rechte auf Brabant ihm gegenüber mit dem Schwerte zu verfechten gewillt sei. Der Ausgang dieses Zweikampfes sollte dann über die Erbschaft von Brabant entscheiden.

Da waren die beiden Frauen sehr betroffen, denn sie standen seit dem Tode des Herzogs von Brabant vereinsamt da; auch hatte der Herzog von Sachsen so oft beim Turniere den Sieg davongetragen, daß er wegen seiner Tapferkeit und Stärke allgemein gefürchtet wurde.

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/260&oldid=- (Version vom 1.8.2018)