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meinen Hof gesetzt und meinem Geist befohlen habe, ungarischen, italienischen und hispanischen Wein zu holen. Desgleichen habe ich fünfzehn Schüsseln in meinen Garten gesetzt, die bereits mit allerlei Speisen versehen sind, die ich aber erst wieder warm machen muß.“ Zugleich befahl er seinem Famulo Wagner, einen Tisch zu decken. Er hatte aber die Speisen von der Potentaten Höfen holen lassen, welche auch die Fastnacht feierten.

Am Aschermittwoch kamen die Studenten wieder. Da nahm Doktor Faustus eine Stange und reckte sie zum Fenster hinaus. Alsbald kamen allerlei Vögel daher geflogen und die sich auf die Stange setzten, die mußten bleiben. Als er nun ein gut Teil Vögel gefangen hatte, halfen die Studenten ihm würgen und rupfen: Lerchen, Krammetsvögel und vier wilde Enten.

Nach dem Essen zogen sie in den Mummenschanz. Da trugen sie Gewänder wie weiße Hemden, erschienen aber bald ohne Kopf, bald mit Eselsköpfen unter den anderen. Als es dann zu Tische ging, hatten alle ihre menschlichen Köpfe wieder.

Am lustigsten ging es am Fastnachtsdonnerstage zu. Da setzten die Studenten dem Faust einen gebratenen Kalbskopf vor. Als ihn nun einer von ihnen zerlegte, fing der Kalbskopf an zu schreien: „Mordio, o Weh, was zeihst Du mich? was hab’ ich gethan?“ Da erschraken die Studenten, verzehrten aber doch lachend mit Doktor Faust die Mahlzeit.

An diesem Tage richtete auch Faust einen Schlitten zu in Gestalt eines Drachen. Auf dem Haupte des Drachen saß Doktor Faustus und auf den Rücken setzten sich die Studenten. Auch sah man vier verzauberte Affen auf dem Schwanze, die gaukelten gar lustig. Der eine blies auf der Schalmei und der Schlitten lief von selbst wohin sie wollten. Es schien ihnen aber, als gingen sie in der Luft.

Es waren jedoch nicht bloß die vier Magister, sondern auch viele andere Studenten, darunter etliche Fremde aus Ungarn, Kärnthen, Polen und Oesterreich, die zu Wittenberg mit Doktor Fausto viel umgingen. Diese stellten die Bitte an Faust, als die Leipziger Messe anfing, er möchte mit ihnen dahin ziehen. Etliche unter ihnen hatten auch Vertröstung auf Gelder aus der Heimat daselbst zu empfangen. Als sie nun in Leipzig hin und wieder spazierten, gingen sie auch vor Auerbachs Weinkeller vorbei.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)