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Sonne die Spitzen der Bäume beleuchtete und den Anbruch des jungen Tages verkündete. Von jenem Tage ab blieb der alte Waldarbeiter nachts nicht wieder in seiner Waldhütte.

     Wie die Leute sich erzählen, soll das weiße Männchen auch in den hellsten Mittagsstunden auf dem Kirchberge des wüsten Dorfes zeitweilig sich sehen lassen.


Die Geisterhochzeit.

Zur Sommerszeit ging einmal ein Handwerksbursche von Dittersbach aus nach Kleinwolmsdorf. Um die Mittagszeit kam er durch das wüste Dorf Reinhardtswalde. Heiß brannte die Sonne nieder, und die Kühle des Waldes tat ihm wohl. Da stand, als er in den stillen Wiesengrund einbog, am Wege ein altes, mit Stroh gedecktes Wirtshaus, aus dessen geöffneten kleinen Fenstern lustige Weisen drangen. Er trat neugierig näher und merkte gar bald, daß hier eine Hochzeit gefeiert und in der niedrigen Schankstube Hochzeitstanz abgehalten wurde. Schüchtern trat der Wanderbursche ein. Er wunderte sich über die altmodische Tracht der Hochzeitsgäste. Wie er so still zuschaute, kam die Braut auf ihn zu und forderte ihn zum Tanze auf. Dann reichte sie ihm einen silberbeschlagenen Krug, bis an den Rand mit perlendem Weine gefüllt. Der Wanderbursche tat einen kräftigen Zug, sah dem Hochzeitstanze noch ein Weilchen zu und setzte sich sodann auf eine Steinbank draußen vor der Haustür. Bald war er eingeschlafen. Als er erwachte, war kein Wirtshaus mehr zu sehen. Seltsam! Der Handwerksbursche saß auf einem bemoosten Steine unter einer jahrhundertalten Kiefer am Waldessaume. Vor ihm lag eine einsame

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Friedrich Bernhard Störzner: Reinhardtswalder Sagenbüchlein. Buchhandlung Otto Schmidt, Arnsdorf in Sachsen 1924, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reinhardtswalder_Sagenb%C3%BCchlein_Fr._Bernh._St%C3%B6rzner_12.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)