Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/009

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Und sie erhob sich höher, – bis zu den Hymnen seliger Verzückung und in die Fernen einer Sehnsucht, als wäre sie die Emanation eines neuen Seins, das aus dem Geheimnis und der Sehnsucht geboren wird.

Noch waren die Menschen im Banne der Töne, noch wiegten sich die Seelen im Rhythmus der leise ersterbenden Klänge, als die Tür des Vorzimmers weit aufging, ein breiter Lichtstreifen über den Fußboden fiel und auf der Schwelle eine hohe leuchtende Gestalt erschien.

Sie sprangen von ihren Plätzen empor, doch ehe noch einer zu schreien vermochte, bewegte sich jene Gestalt und schritt langsam über den Lichtstreifen daher. Sie ging steif und schwer, mit ausgestreckten Armen, jeden Augenblick stehenbleibend und sich leicht wiegend.

Die Tür schloß sich ohne Geräusch, und wieder herrschte tiefes Dunkel.

„Wer bist du?“ so erzitterte eine gepreßte Frage.

„Daisy,“ erklang ein Flüstern, das nichts Körperliches mehr an sich hatte.

„Wirst du lange bei uns verweilen?“

„Nein … Nein.“

„Wo ist dein Körper?“

„Dort … Im Zimmer … Ich schlafe … Du riefst … Ich kam … Guru …“

Das Flüstern verwirrte sich und wurde so leise, daß nur klanglose abgerissene Töne in der Dunkelheit wisperten …

Mr. Yoe drückte auf den Knopf, und das ganze Zimmer wurde von elektrischem Licht überflutet.

„Daisy!“ schrie einer, ihr nachstürzend, blieb aber

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/009&oldid=- (Version vom 1.8.2018)