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fort und versank bald im Nebel; nur hier und dort ragte daraus in verschwindenden Umrissen ein einsamer Baum hervor, wie ein Gespenst, oder von Zeit zu Zeit erschien plötzlich, gleichsam aus der Erde gewachsen, ein Mensch und versank wieder im Nebel.

Ein unergründliches Schweigen und eine graue, undurchdringliche Öde hüllten ihn ein, Wassertropfen troffen aus dem Nebel und flüsterten in unsichtbaren Blättern und Zweigen mit einer quälenden Eintönigkeit, nur manchmal wurde über ihm eine gedämpfte Stimme laut, doch sie verstummte wieder in leisen Schwingungen und versank in lange Augenblicke völliger Stille und Leere. Er beschleunigte seine Schritte, denn es war ihm kalt, weil der Nebel ihn mit einem feuchten, scheußlichen Frösteln durchdrang; und außerdem war er neugierig, ob er heute beim Frühstück Daisy antreffen würde. Seit dem Tage jener Seance hatte er sie nicht mehr gesehen, – sie ließ sich bei Tische nicht blicken; man sagte, sie sei krank.

Diese wenigen Tage ruhigen Nachdenkens und der gewohnten Beschäftigung hatten bewirkt, daß er an jenes Doppelgesicht nur noch wie an eine Halluzination zurückdachte, – er konnte nicht einmal mehr die zerstreuten Einzelheiten sammeln. So stieß er denn die Erinnerung an diese Szene auf den tiefsten Grund des Bewußtseins hinunter, zu jenen Dingen, die man vergessen kann. Er unterließ alle Forschungen, hatte gewissermaßen schon alles vergessen und war froh, daß er das Grauen dieses dunkeln, ungelösten Rätsels los werde; dafür aber erstand in ihm ein hartnäckiges, beunruhigendes Verlangen, Daisy selbst

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/045&oldid=- (Version vom 1.8.2018)