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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

VII.
LOHENGRIN’S ABSCHIED.


„Leb’ wohl! Leb’ wohl! mein süsses Weib!“


Es ist Nacht. Die Fenster der Burg zu Antwerpen sind hell erleuchtet, Hörner und Posaunen lassen Jubelweisen erklingen. Derweil sitzt auf den Stufen zur Münsterpforte Friedrich von Telramund und „die Genossin seiner Schmach“, Ortrud. Diese hat all’ jene ränkevollen Anklagen wider Elsa geschmiedet, sie war es, welche das Lug- und Truggewebe zusammenfügte, in dem Elsa, die Schuldlose, verderben sollte. Neue Tücken sinnt sie in nächtlicher Stunde, es gilt, dem fremden Ritter das Geheimniss seiner Herkunft zu entlocken oder zu entreissen. Durch eines Zaubers List hat er Alle getäuscht: Elsa, das Gericht, den König. Nur einem höllischen Zauber konnte Graf Friedrich von Telramund erliegen. Wollte Elsa des Verbotes und ihres Gelöbnisses eingedenk sein, dann bliebe nur noch ein letztes Mittel: die Gewalt! Ortrud ist ein Weib, in schwarzen Künsten wohl erfahren. Jedes Wesen – so erzählt sie dem lauschenden Telramund – dessen Stärke in einem Zauber ruht, büsst all’ seine Macht ein, wenn ihm auch nur ein kleinster Theil des Körpers, sei es eines Fingers Glied entrissen wird. Solch’ dunkle Saat findet in dem verdüsterten Gemüthe Telramunds einen fruchtbaren Boden.




Im weissen Gewande ist unterdessen Elsa auf dem Söller erschienen; über die Brüstung gelehnt blickt sie hinaus in die sternenklare Nacht. Den Lüften, die so oft ihr trauriges Klagen gehört haben, will sie nun auch ihr Glück verkünden. Hatten sich diese Lüfte doch als gar treue Bundesgenossen bewährt. Durch sie kam er gezogen, auf wilden Meereswogen behüteten sie ihn getreulich; wie Elsa die unsichtbaren Freunde ehedem oft bemüht hatte, ihre Thränen zu trocknen, so heischte sie jetzt Kühlung für die liebeglühenden Wangen.

Aus den Schatten der Nacht löst sich die dunkle Gestalt Ortrud’s. Mit erheuchelter Freundlichkeit naht „das unglückliche Weib“ der seligen Elsa. Den Keim des Argwohns in das ahnungslose Gemüth zu senken, das ist ihr Bestreben. Die scheinheilige Warnerin mahnt, dem Glücke nicht blind zu vertrauen. Geschützt durch die hehre Macht, welche unsichtbar in jeder weihevollen Stunde uns umgiebt, bleibt Elsa von den listigen Anläufen der Versucherin unberührt. Auch das Gift, welches Ortrud’s ruchlose Lästerzunge später auf dem Gange zum Münster ausstreut, verfehlt noch seine gehoffte Wirkung. Lohengrin’s Nähe, die Entrüstung der Männer, das Entsetzen der Frauen, vereiteln die schändlichen Pläne; auch die Schmähreden Friedrich’s verhallen erfolglos in den hochgehenden Wogen der festlichen Tagesströmung.

Noch hat die Stunde des Verhängnisses nicht geschlagen, aber sie rückt allgemach näher.




Das süsse Lied ist verhallt. Elsa und Lohengrin sind allein im bräutlichen Gemach, „kein Lauscher darf des Herzens Grüssen nah’n.“ Die wonnigliche Zwiesprache in der seligen Einsamkeit endet aber mit einem Missklange, eine schrille Dissonanz unterbricht fast urplötzlich

Empfohlene Zitierweise:
Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)