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in diesen Augenblicken die Gesellschaft einer Freundinn, die ich seit langer Zeit zum erstenmal wieder sah, die mir das Unglück selbst wieder zuführte, und in deren Umgang ich manche Stunde das Unheil vergaß, das uns traf und das uns bedroht. Sie, die schon so lange auf einer ängstlichen Flucht herumgetrieben wird, und sich kaum wenige Tage in Gesellschaft von geliebten alten Freunden, in einer bequemen Wohnung, an einem angenehmen Orte erhohlt, muß schon wieder flüchtig werden und die Gesellschaft verliert dabey die Unterhaltung ihres Gatten, der, so wunderlich er auch in manchen Stücken seyn mag, doch ein trefflicher rechtschaffner Mann ist und ein unerschöpfliches Archiv von Menschen- und Welt-Kenntniß, von Begebenheiten und Verhältnissen mit sich führt, die er auf eine leichte, glückliche und angenehme Weise mitzutheilen versteht. Um diesen vielfachen Genuß bringt uns deine Heftigkeit; wodurch kannst du ersetzen, was wir verlieren?

Karl. Schonen Sie mich, liebe Tante: ich fühle meinen Fehler schon lebhaft genug, lassen Sie mich die Folgen nicht so deutlich einsehen.

Baronesse. Betrachte sie vielmehr so deutlich als möglich. Hier kann nicht von Schonen die Rede seyn, es ist nur die Frage, ob du dich überzeugen kannst. Denn nicht das erstemal begehst du diesen Fehler, und es wird das letztemal nicht seyn. O ihr Menschen, wird die Noth, die euch unter Ein Dach, in Eine enge Hütte zusammen drängt, euch nicht duldsam gegen einander machen? Ist es an den ungeheuren Begebenheiten nicht genug, die auf euch und die eurigen unaufhaltsam losdringen? könnt

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)