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ihr an euch selbst nicht so arbeiten, und ihr euch mässig und vernünftig gegen diejenigen betragen, die euch im Grunde nichts nehmen, nichts rauben wollen? Müssen denn eure Gemüther nur so blind und unaufhaltsam wirken und drein schlagen, wie die Weltbegebenheiten, ein Gewitter oder ein ander Naturphänomen?

Karl antwortete nichts, und der Hofmeister kam von dem Fenster, wo er bisher gestanden, auf die Baronesse zu und sagte: er wird sich bessern, dieser Fall soll ihn, soll uns allen zur Warnung dienen. Wir wollen uns täglich prüfen, wir wollen den Schmerz, den Sie empfunden haben, uns vor Augen stellen, wir wollen auch zeigen, daß wir Gewalt über uns haben.

Baronesse. Wie leicht doch Männer sich überreden können, besonders in diesem Punkte! Das Wort Herrschaft ist ihnen ein so angenehmes Wort, und es klingt so vornehm sich selbst beherrschen zu wollen. Sie reden gar zu gerne davon und mögten uns glauben machen, es sey wirklich auch in der Ausübung Ernst damit, und wenn ich doch nur einen einzigen in meinem Leben gesehen hätte, der auch nur in der geringsten Sache sich zu beherrschen im Stande gewesen wäre! Wenn ihnen etwas gleichgültig ist, dann stellen sie sich gewöhnlich sehr ernsthaft, als ob sie es mit Mühe entbehrten, und was sie heftig wünschen, wissen sie sich selbst und andern als vortrefflich, nothwendig, unvermeidlich und unentbehrlich vorzustellen. Ich wüßte auch keinen, der auch nur der geringsten Entsagung fähig wäre.

Hofmeister. Sie sind selten ungerecht und ich habe

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)