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mich glücklich schätze, manchmal ein Opfer für die übrige Gesellschaft zu werden: denn, gewiß, indem Sie bey jeder Unterhaltung Ihrer fürtrefflichen Erzieherin Ehre machen, und Sie jedermann angenehm, liebenswürdig und gefällig findet; so scheinen Sie einem kleinen bösen Geist, der in Ihnen wohnt und über den Sie nicht ganz Herr werden können, für mancherley Zwang den Sie ihm anthun, auf meine Unkosten gewöhnlich einige Entschädigung zu verschaffen. Sagen Sie mir gnädige Frau, fuhr er fort, indem er sich gegen die Baronesse wandte: was ist in meiner Abwesenheit vorgegangen? und was für Gespräche sind aus unserm Zirkel ausgeschlossen?

Die Baronesse unterrichtete ihn von allem was vorgefallen war. Aufmerksam hörte er zu und versetzte sodann: es dürfte auch nach dieser Einrichtung manchen Personen nicht unmöglich seyn die Gesellschaft zu unterhalten und vielleicht besser und sichrer als andere.

Wir wollen es erleben, sagte Luise.

Dieses Gesetz, fuhr er fort: enthält nichts beschwerliches für jeden Menschen, der sich mit sich selbst zu beschäftigen wußte, vielmehr wird es ihm angenehm seyn, indem er dasjenige, was er sonst gleichsam verstohlen trieb, in die Gesellschaft bringen darf. Denn nehmen Sie mir nicht übel, Fräulein, wer bildet denn die Neuigkeitsträger, die Aufpasser und Verläumder, als die Gesellschaft? Ich habe selten bey einer Lektüre, bey irgend einer Darstellung einer interessanten Materie, die Geist und Herz beleben sollten, einen Zirkel so aufmerksam und die Seelenkräfte so thätig gesehen, als wenn irgend etwas

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)