Seite:Spiess Das Lahnthal.pdf/169

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

fern gesehen, in seiner äussern Erscheinung sich als ein Denkmal sehr früher Zeit darstellt: gewaltiges, auf dem steilen Felsen unregelmässig aufsteigendes Mauerwerk, von schmalen Fenstern durchbrochen, und von dem breiten viereckigen Thurme nur wenig überragt. Aber die Burg der mächtigen Grafen von Dietz dient, wie das historisch merkwürdige Schloss zu Marburg, einem seiner früheren Bestimmung sehr entgegengesetzten Zweck. Schon die eisernen Stäbe an den Fenstern lassen ein Gefängniss vermuthen. Und in der That dient sie dem Lande zum Zuchthause, und ist als solche auch die Stätte mannigfaltiger Industrie. Ausserdem dass Leinwand, Strohgeflechte, Strickereien u. a. m. daselbst gefertigt werden, wird von den kräftigen Sträflingen der Vilmarer Marmor von der Säge bis zur feinsten Politur zu den verschiedensten Geräthschaften, Urnen, Grabmonumenten verarbeitet. Welcher Gegensatz in dem Wandel der Zeiten! Statt des Waffengeklirrs und des Hufschlags wilder Pferde, die einst um die Burg erklangen, hört man jetzt nur den einförmig dumpfen Ton der in der Tiefe des Thals unablässig arbeitenden Marmorsäge; statt der freien Burgmänner, die sich hier bewegten, sieht man nur die düsteren, schweigsamen Gestalten, welche, mit Ketten gefesselt, zu ihrer schweren Arbeit hinabgeführt werden, und in den Räumen, wo einst die Pokale läuteten, ertönt das raschelnde Geräusch einer gezwungenen Fabrikthätigkeit.

Die neben der Burg vom Grafen Gerhard IV. in der letzten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts erbaute Marienkirche nennt der nur für die Bauweise seines Säculums schwärmende Antiquarius des Lahnstroms ein sehr übles Gebäude. Aber abgesehen von dem Interesse, das sie als altes Baudenkmal erweckt, bietet ihr nun restaurirtes Innere, wenn auch nicht einen imposanten, so doch würdigen Anblick dar. Auch die jenseits der Lahn auf einem Felsen isolirt gelegene Peterskirche ist schon

Empfohlene Zitierweise:
August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/169&oldid=- (Version vom 1.8.2018)