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Dies Haus hieß „die Wohnung des Weisen“ bei dem Volke. Die Gebildeten nannten dasselbe mit einem damals ebenfalls noch von geheimnißvollen Vorstellungen begleiteten Namen: „Apotheke“.

Hier wohnte einer der berühmtesten Chemiker Amsterdams. Er hieß Erasmus de Pottere oder Erasmus Potterus. Er verschmähte es, damals an den Hof des Burgunders, oder nach Spanien als Arzt, das heißt, als ein im Besitze wunderbarer Künste befindlicher Arzt, zu gehen, und sich für mystische Täuschungen, wie er sie leicht hätte ermöglichen können, Rang, Geld und Berühmtheit zu erringen. Potterus war wirklich ein Gelehrter, und aus seinem geräuschlosen Wirken, aus dem stillen Arbeiten seiner einsamen Nächte erwuchs der Wissenschaft manche wichtige Entdeckung. Niemand war der Mystik, welche sich in jenen Zeiten der Arznei- und Apothekerkunst bemächtigt hatte und die bis in die trübsten Regionen der Alchymie sich verlor, fremder als eben Potterus.

Und dennoch war Erasmus Potterus wirklich und wahr im Besitze von Arcanen und von Künsten, welche diejenigen, die die Hof-Astrologen und Alchymisten lügenhaft von sich rühmten, weit überstiegen.

Daß Potterus Gold machen könne, stand in Amsterdam so fest, daß, als die Girobank in Amsterdam wegen bedeutender Kriegsvorschüsse an die Generalstaaten in augenblicklicher Verlegenheit war, eine Deputation insgeheim an den Chemiker gesandt wurde, um ihn zu bewegen, eine Anzahl von Goldbarren aus Eisen oder Kupfer herzustellen. Potterus wies sie lächelnd von sich, aber der Glaube an seine Kunst ward dadurch noch mehr befestigt. Jedermann kannte die einfache, fast ascetische Lebensweise des Chemikers; er mußte nothwendig arm oder geizig sein, um sich so consequent jedes weltliche Vergnügen, jeden Genuß zu versagen. Hiermit stimmte aber durchaus nicht zusammen, daß Erasmus Potterus, als die schöne Kalver-Straat und die Keyzers-Gracht erweitert und neu aufgeführt werden sollten, bei dem Magistrat zu diesem Zwecke eine Summe von fünfzigtausend Goldgülden zum Geschenk niederlegte. –

Soviel war indeß, aller halbwahren oder märchenhaften Gerüchte ungeachtet, sicher: daß dieser Wundermann die Sanftmuth und das menschliche Mitleiden selbst war. Er gab reiche Almosen, und reichte jedem der Kranken, die aus der Hauptstadt und aus der Umgegend kamen, zuvorkommend gute Arznei und zwar unabänderlich umsonst.

Potterus war übrigens unverheirathet, hatte keine Anverwandte, und bewohnte sein Haus allein. Einige Knechte, welche ihm die Blasebälge seiner Essen zogen, oder an dem Mörser arbeiteten u. s. w. kamen nur Morgens und gingen Abends wieder nach Hause. –

So lebte Potterus, da kam zu Amsterdam ein venetianisches Schiff an, mit levantinischen Erzeugnissen beladen. Mit diesem Schiffe traf ein Arzt ein, welcher Gaetano Trombona hieß. Dieser Italiener quartierte sich in einem Gasthofe ein, welcher der Wohnung des Erasmus Potterus schräg gegenüber lag. Große Anzeigen seiner wunderbaren Kenntnisse und Kuren bedeckten die Wände des Gasthauses, und ein unerhörter Andrang fand zu dem Fremden statt, welcher die Geheimnisse des Orients zu besitzen vorgab. Bald aber kam das Gerücht, dieser Italiener aus Parma sei ein Wallone, kein Arzt, sondern ein vormaliger Reiter vom Condottieri Spinola, ein Abenteurer, welcher nichts verstehe, als Leichtgläubige auszuplündern. Trombona vernahm diese Gerüchte, und er eilte, sein gesunkenes Ansehn dadurch wieder zu befestigen, daß

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)