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er mit dem als wahrhaften Gelehrten bekannten und hochgeachteten Erasmus Potterus Bekanntschaft anknüpfte.

Trombona trat also bei dem Chemiker ein, welcher ihn in seinem Laboratorio mit gewohnter Zuvorkommenheit empfing. Potterus war etwa sechsundvierzig Jahre alt, mehr hager als stark; er trug einen langen Bart, ein Doctorbaret mit Pelz, eine Art Kaftan mit Marderfellen besetzt und Pantoffeln mit Goldbrocat eingefaßt. Das Laboratorium sah fremdartig genug aus, und der Chemiker bemerkte zu seiner großen Zufriedenheit und mit dem sanftmüthigsten Lächeln von der Welt, daß Gaetano vom Anblicke desselben einigermaßen überrascht war. Die Essen dampften und sprühten Funken; vor der einen arbeitete der Meister in seinem großen Lehnstuhle, neben sich einen Handblasebalg, kleine Schmelztigel, Retorten und chemische Apparate; hinter sich einen reich gedeckten, mit den verschiedensten Instrumenten, Büchern und Fläschchen versehenen Tisch. An der Außenseite der Hauptesse waren Schädel und Knochenreste von Thieren, ein riesiger Destillirapparat etc. angebracht; unten lag ein Buch – es waren die Geheimnisse des zweiten oder irdischen Hermes, des Trismegistus, mit allem tief- oder wahnsinnigen Wuste einer sich in labyrinthischen Irrgängen verlierenden Kabbala.

Gaetano Trombona, ein untersetzter Mann von imponirendem Aeußern in der Doctor-Tracht von Bologna, wußte den Potterus sehr bald für sich einzunehmen, und als er zwei seiner corsikanischen braunen Diener in das Laboratorium brachte, welche, einen großen, eigenthümlich geformten, schön ausgestopften Fisch trugen und ihn dem Erasmus als Geschenk anboten, da kannte die Freude des Niederländers keine Grenzen. Dieser Fisch war ein durchaus unbekannter; er war nicht etwa wie die höchst seltsame und berühmte, lange für echt gehaltene Antwerpener Seeschlange mit Flügeln, künstlich, sondern ein natürlicher Rest von einem Seethiere, das Gaetano für einen Crocodil-Haifisch erklärte, und von welchem er behauptete, daß diese Gattung auf dem Lande gehen könne, obgleich sie keine Füße habe. Das Thier ward feierlich oben an die Zimmerdecke gehängt.

Von diesem Tage an war Erasmus der Freund des Italieners, welcher von nun an bei ihm ein täglicher Gast war. Beide reichten sich bei mehren Geschäften die Hand; Trombona setzte sich in das Laboratorium des Niederländers und fertigte die kommenden Kranken ab, Potterus bereitete nach seiner Angabe Elixire für dieselben u. s. w. Diese Verbindung ward immer genauer, denn schwerlich war ein gewandterer Mann als Gaetona zu finden. Potterus hatte sehr bald entdeckt, der Italiener sei kein großer Gelehrter in Hinsicht auf Arzneikunst; aber der Abenteurer, welcher den Orient, Arabien, Persien und Aegypten durchstrichen hatte, verstand die morgenländischen Sprachen der kabbalistischen Bücher so vollständig, daß dem wißbegierigen Holländer der neue Freund bald unentbehrlich wurde.

Potterus fing bald an, den Italiener in seine Geheimnisse einzuweihen. Nur stufenweise entdeckte der brave Chemiker seine Kunst, so sehr Gaetano ihn auch weiter drängte. Es war, als wenn eine Ahnung dem Chemiker zugerufen hätte: verräthst Du die „geheime Kraft der Wissenschaft“, so kostet es Dein Leben!

Fast zitternd gestand Potterus dem Freunde, daß er seit Jahren ein Geheimniß besitze, das er länger allein zu tragen und stumm in seine Brust zu verschließen nicht die Kraft besitze. Er führte Gaetano nach einer wohlverschlossenen Kammer, und zeigte ihm hier Gold in gewaltigen Haufen aufgeschichtet.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)