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hatte, um antworten zu können, schlüpfte ein altes Frauenzimmer, nach flandrischer Sitte ein buntes Tuch um den Kopf gewickelt, die Stufen einer weiten Treppe herab und kam an die beiden Männer heran.

– Mynheer Hendrik, murmelte sie, und auch Ihr, Mynheer Slyker, Ihr solltet doch wissen, daß man solche Angelegenheiten, wie Ihr sie verhandelt, nicht mit Posaunenstimmen bespricht.

– Ach, Agathe! sagte Slyker erfreut, als er die alte Wärterin Elizabeths erkannte. Offenbar war sie ihm sehr günstig gestimmt.

– Und weiter sind dies Sachen, welche von Männern allein niemals gehörig in Ordnung gebracht werden können. Wir haben auch ein Wort dazu zu sagen und ich insbesondere, Mynheer Slyker, wenn Ihr erlaubt. Ich habe Alles angehört; ich weiß, wie das Spiel steht. Sage Euch, Mynheers, mit einem Worte, was ich will: Ihr, Mynheer, nehmt bis auf Weiteres Eure Tulpenzwiebeln wieder mit nach Hause, und Mynheer Hendrik und ich wir werden über das Fernere uns zu verständigen suchen. Auf jeden Fall werdet Ihr die Baronesse allein sprechen, wenn Ihrs wünscht: das kann des Anstandes und Eures Ranges wegen keine Dame der Welt, und wäre es die Königin von Spanien, abschlagen!

Es fehlte wenig, so hätte der verliebte Rathsherr die Alte vor Freude umarmt.

– Du giebst mir das Leben wieder, Agathe! sagte er. Ich fasse wieder Hoffnung und Muth . . .

– Davon später, Mynheer! sagte die Alte. Uebrigens wird Mynheer vom Hause, der Baron Leuwenbroek, sehr bald zurückkehren . . . Würde vielleicht Euch oder dem Herrn unbequem sein . . .

– Verstehe! Verstehe! Aber ich . . .

– Sollt Alles wissen; werden Euch Nachricht von unserm Entschlusse geben; dürft später fragen und sagen, was Ihr wollt, und sollt auf der Stelle Resolution haben . . . plapperte die Flamländerin.

– Ach die Resolution! seufzte Slyker. Ihr wollt mich ab und zur Ruhe verweisen . . .

– Wer weiß? sagte Agathe.

– Wirkt mir das Rendezvous aus, Agathe; ein Wort so gut wie tausend und ich werde mich so dankbar zeigen, als wäre ich der König beider Indien und nicht der bescheidene Rathsherr der alten Stadt Amsterdam.

Und in stolzester Demuth hob er sich empor, so daß er wenigstens noch zwei Zoll länger wurde.

Agathe sah ihn mit ihren großen, klaren Augen starr an. Eine sonderbare Bewegung zuckte über ihr schmales, faltiges Antlitz. Einen Augenblick richtete auch sie sich stolzer auf, sie sah verachtend auf den Graubart – dann aber verschwand dieser Ausdruck schnell und spurlos und sie fiel wieder in ihr Plappern, welches durchaus theilnahmlos, fast gedankenlos schien.

– Rendezvous? Ihr verlangt viel, sehr viel! Wollen aber sehen. Glaube nicht, daß Baronesse Elizabeth . . . Und doch . . . Wer ergründete das Herz eines Weibes?

Slyker drückte enthusiastisch die dürre Hand der alten Amme. Sie entzog sie ihm heftig.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/469&oldid=- (Version vom 1.8.2018)