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die Zierde des Altars im Freisinger Dome, war von dem kunstreichen Pinsel Christoph Pauditz’s, des Hofmalers des Bischofs. Vor diesem Bilde brannten zwei kurze, aber armdicke Kerzen und zwischen beiden stand ein sehr kleines, massivgoldenes Crucifix von spanischer Arbeit.

Clamor Chrysostomus Bernwardus, der Gebieter selbst, saß in einem großen, schwerverzierten Lehnstuhle, an dessen hoher Lehne oben über dem Haupte des Würdenträgers das bischöfliche Wappen, farbig gestickt, prangte.

Der Bischof war eine imponirende Gestalt; er mochte sechs und vierzig Jahre alt sein, war breitschultrig, wohlgebaut und hatte selbst jetzt im Sitzen eine ritterliche Haltung. Seine Hände waren vorzüglich schön und mit Ringen von St. Peter geschmückt. Der Ausdruck seines Gesichts von feiner, weißer Farbe war vornehm, fast stolz; jetzt, da er sein Käpplein tief in die Stirn geschoben, die dunkeln Brauen gerunzelt und den Blick fest auf den Boden gerichtet hatte, finster und unzugänglich. Die Miene, womit er von Zeit zu Zeit seine delicate Hand auf sein seidenes Ordenskleid und gerade dahin legte, wo unter dem weißen Kreuze sein Herz schlug, bezeugte, ein inneres Weh habe sich seiner bemächtigt.

Stellio trat mit einer tiefen Verbeugung ein.

– Mein Sohn, sagte der Bischof, dem Kinde das glänzendschwarze Haar streichelnd, welches schon nach Klosterart verschnitten war, ich habe eine schlimme Nacht gehabt; ich fühle mich ermattet und elend …

– Ich werde den Doctor Reinhardus rufen! erwiderte Stellio mit leuchtenden Augen, indeß er den Befehl zu errathen glaubte, noch ehe er von dem Herrn ausgesprochen war.

Der Bischof schüttelte den Kopf.

– Meinen Maler, den Meister Christoffler Pauditz, will ich sehen! bemerkte Bernwardus.

Der Page verschwand.

Nach wenigen Minuten erschien der Künstler vor seinem Herrn und Freunde. Christoph Pauditz, oder wie er sich auch zuweilen nannte, Paudiß, ein Niedersachse von Geburt, war genau wie die alten Künstler Deutschlands in unseren Vorstellungen leben: eine schlanke, fast hagere Gestalt im schönen Mannesalter, mit hellbraunem Haar und blondröthlichem Bart; in dunkler, talarartiger Kleidung mit Pelz verbrämt; mit schöner, ernster gedankenreicher Miene, die aber ein nicht geringes Selbstbewußtsein, einen lebendigen Künstlerstolz ausdrückte. Sein erster Blick fiel auf sein Gemälde und seine Augen erheiterten sich sichtlich. Christoph Pauditz grüßte den Bischof mit ehrerbietiger Vertraulichkeit.

Bernwardus lud ihn ein, sich zu setzen, und fing nach einer Pause sehr niedergeschlagen an:

– Meister, oft schon hat mich Deine Kunst ergötzt und mir meine schönen Stunden noch mehr verherrlicht. Jetzt bitte ich Dich selbst, mir eine der bittersten Stunden meines Lebens ertragen zu helfen.

Der Bischof sah bei diesen Worten so bekümmert aus, daß der Maler voll Unruhe aufstand und sich ihm näherte, indeß er seine Bereitwilligkeit aussprach, dem geliebten Herrn mit allen seinen Kräften zu dienen.

– Höre mich an, sagte der geistliche Würdenträger, aber bewahre mein Geheimniß bis zum Tode. Ich bin von dunkler Herkunft; als ein Findelkind wurde ich im Hause des Freiherrn von Spiegelberg erzogen. Nicht für die Kutte, welche mich heute umschließt, war ich bestimmt.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)