Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/65

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Metzu zuckte die Achseln. Er war richtig irre geworden.

– Du denkst also nicht daran, mit Frau Brigitta nach Italien zu entfliehen? fragte er, um sich vollständig zu überzeugen.

– Warum nicht gar! antwortete Mieris. Wir werden heute Abend zechen, spielen und singen. Gottlob, daß wir den Hafen unseres Gasthauses „zur bunten Palette“ erreicht haben. Jetzt fühle ich mich wieder in meinem Elemente.

Wirklich machte Mieris keine Anstalt, sich aus dem Kreise der lebenslustigen Freunde, welcher die beiden Maler aufnahm, zu entfernen. Metzu ward sicher, die Becher kreiseten und bald hatte Freund Gabriel, vom Weine befangen, Alles außer der Lust des Augenblickes vergessen. Er bemerkte es kaum, das Mieris schon seit einiger Zeit verschwunden war.

Franz eilte geradeswegs nach Dows Wohnung. Er näherte sich dem parkähnlichen Garten, an welchen sich das Haus anschloß, und schlich durch die dunkeln Gebüsche unter das hell erleuchtete Fenster in Brigittens Wohnung. Hier klatschte er zweimal heftig in die Hände.

Das Fenster oben öffnete sich und Dow sah spähend in die Nacht hinaus, zog aber, da er Niemand bemerkte, das Fenster ruhig wieder zu und nahm an Brigittens Seite Platz.

Die schöne Frau aber, bleich, fassungslos, schien im Herzen bittere Qualen zu empfinden. Sie liebte den jungen Maler. Düstre Bilder, die ihr den Jüngling blutend zeigten, sterbend, stiegen vor ihr auf . . . Sie hörte das Klatschen und war fest überzeugt, daß dasselbe von van Mieris ausging, welcher ihrer harrte. Sie bezwang ihre Angst nur mit Mühe. Sie kämpfte einige Minuten mit sich; dann aber wars entschieden: sie mußte ihn beruhigen, ihn beschwören, seine finstern Vorsätze aufzugeben; sie mußte sich versichern, daß er, von seiner Leidenschaft hingerissen, nicht eine That beging, die er in seinem heftigen Temperamente nur zu leicht beschließen und ausführen konnte.

Brigitta nahm einen Vorwand und verließ den arglosen Meister, um mit der Schnelligkeit des gejagten Rehes hinunter in den Garten zu eilen.

Franz van Mieris empfing die Geängstigte und schloß sie, alle Schüchternheit bei Seite setzend, inbrünstig in seine Arme, von denen sich Brigitta vergebens loszumachen strebte. Mieris bat, er flehte, er beschwor sie so hinreißend, daß Brigitta, statt ihm ernst entgegen zu treten und ihn mit Würde zu ermahnen, seinen Bitten nur Thränen entgegen stellen konnte. Eine Frau aber, die weint, ist im Begriff, allen Widerstand aufzugeben. So war’s auch hier.

Brigitta’s Besonnenheit umnebelte sich. Sie schauderte schon nicht mehr zurück, als sie an der benachbarten Straßenecke das Stampfen der Rosse vor der Kutsche hörte, welche bestimmt war, sie sammt dem Jünglinge von dannen zu führen. Sie erlag den verführerischen, berauschenden Liebkosungen des Ungestümen und – jetzt machte sie, zwar bebend wie eine Espe im Abendwinde, aber dennoch entschlossen, an der Hand von Franz van Mieris die ersten Schritte, um sich aus dem Garten zu entfernen . . . Die Flucht des verrätherischen Paares hatte begonnen.

An der Gartenpforte blieb Brigitta nur mit Mühe athmend, stehen und warf einen verlornen Blick auf das Haus ihres Gatten . . . Plötzlich zuckte sie, wie tief im Herzen von einer gewaltigen Macht berührt, zusammen.

Der glückliche Gerard Dow hatte seine getreue Amati-Geige geholt, hatte das Fenster

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)