Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/794

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Im Colorit besaß Ruthart eine vorzügliche warme und breite Manier, welche an seinen Aufenthalt in Venedig erinnert. Sehr oft sind seine Gemälde mit einer ungemeinen Feinheit ausgeführt, indeß erscheinen auch nicht wenige blos als hingeworfen und mit großer Nichtachtung vollendet. Auch in Hinsicht auf die höchst saubere Ausführung und auf den herrlichen Ton des schwülen Sommerabends, den diese Landschaft athmet, ist „Wild und Wald“ ein classisches Stück. Ganz besonderen Ruf haben zwei Bilder Rutharts, eine Bärenhetze und eine Hirschjagd in der Kaunitzschen Sammlung zu Wien, erworben. In England, München, im Louvre u. s. w. finden sich viele Stücke Rutharts, nach denen viele gute Künstler gestochen haben. Der Maler selbst radirte wenige Blätter von untergeordnetem Werth. Seine Blüthenzeit fällt ums Jahr 1660 bis 1680. Wahrscheinlich lebte er in Nürnberg.




Eine Musikprobe.
Von Peter van Slingeland.

Er hatte eine Geliebte, aber diese war die Tochter eines Musikers, und sie selbst, Maria Nederhout, war eine Virtuosin. Freilich war der Geliebte, Pieter van Slingeland, ebenfalls ein Künstler und zwar kein geringer, denn noch jetzt, von Anno 1662 her, stralt sein Name unter den bedeutendsten Malern Niederlands. Aber Slingeland war kein Musiker. Die Natur schien es ihm durchaus versagt zu haben, in Tönen den Inhalt seiner Seele ausströmen zu lassen. Es ist sicher, es giebt nur eine, dem tiefsten Innern durchaus angemessene Weise für die Aeußerungen des Genies, mag dies das Bild, das Sculpturstück, der Ton, oder das Wort sein. Glücklich derjenige, welcher nur eins dieser Geschenke eines freigebigen Geschickes sein eigen nennt; er ist ein Künstler, der ewige Gehalt der Kunst ist für jede Aeußerung derselben gleich und in jeder kann er die höchsten Stufen erreichen und sich neben den stellen, dem ein anderes Vehikel für seine Gedanken und seine begeisterte Phantasie zugemessen wurde.

Das ist eine Wahrheit, und Pieter van Slingeland hatte ein großes Interesse, sie zu vertheidigen. Meister Nederhout wollte sie nämlich nicht gelten lassen. Das wäre ziemlich gleichgültig für den zur oben bemerkten Zeit etwa sechsundzwanzig Jahr alten Maler gewesen, hätten sich an die Grundsätze des Mynheer Nederhout nicht sehr besondere Consequenzen geknüpft.

Nederhout hatte eine sehr schöne Tochter und Slingeland schwärmte für sie mit aller Gluth eines Künstlerherzens. Er hatte Mariens jugendliches Herz gerührt; zwar war es ihm noch nicht gelungen, die heiße Leidenschaft, welche er forderte, in dem jungfräulichen Busen wach zu rufen; so viel war gewiß, Marie liebte den schönen Maler. Sie tändelte, sie spielte und scherzte mit ihm; sie war entzückt, wenn er erschien und schmollte, wenn sie ihn nicht erblickte. Vorläufig genügten dem Maler diese Symptome – allerdings noch ein wenig zweifelhafte – der Liebe und auf den Grund derselben war er sogar entschlossen, Marie zu heirathen.

Da kamen aber die Glaubensartikel des Mynheer Nederhout in die Quere. Marie,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 777. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/794&oldid=- (Version vom 1.8.2018)