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schrecklichen Einzelheiten aufs genaueste; die Prinzessin ist die todesbange Zuschauerin und kaum gelingt es ihrem starken Paladin, das menschenfressende Geschöpf zu überwältigen.

Gianfranzesco Penni, der Maler dieses Bildes, geboren zu Florenz im Jahre 1488 war der Schüler und treue Mitarbeiter Raphael’s und mit Giulio Romano der genaueste Freund desselben. Besonders in der Zeichnung der für Tapeten bestimmten Cartons war Penni dem Meister zur Hand, und hiervon schreibt sich der Beiname „il Fattore“ her, unter welchem Penni am meisten bekannt wurde. In der Färbung war Penni so ausgezeichnet, daß er es mit großem Erfolg bei Raphaels Tode unternehmen konnte, viele seiner unvollendeten Werke auszumalen. In der Kunst der Composition aber ist ihm Romano überlegen. Eins seiner besten Stücke ist die herrliche Copie von Raphaels „Verklärung“. Sein Tod erfolgte ums Jahr 1528.




Martin Engelbrecht.
Von A. van Dyck.

Der Meister hat uns hier, wie in dem berühmten Bildniß eines Unbekannten, einen Mann verewigt, von welchem schwerlich genauere Nachricht gegeben werden könnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der dargestellte, würdige Herr ein Deutscher gewesen; seiner Kleidung nach war er eine Gerichtsperson, ein Rathsherr oder Bürgermeister. Der Kopf läßt in seiner Form wie in den Gesichtszügen auf ungewöhnliche Fähigkeiten schließen und ist vielleicht noch besser gemalt, als das Bildniß des Unbekannten, obgleich dieses dagegen den Vorzug eines romantischen Reizes besitzt, der dem Bilde des ehrsamen Engelbrecht fehlt.




Ecce homo.
Von Franzesco Vecellio.

Franzesco Vecellio erreichte zwar bei weitem nicht die Höhe des wundervollen Genies seines Bruders Tizian, muß jedoch als ein sehr hervorragender Künstler bezeichnet werden. Seine ersten Arbeiten schon verriethen eine so ungemeine Befähigung, daß Tizian selbst volle Ursache zu der Eifersucht hatte, welche längere Zeit die Brüder von einander trennte. Franzesco machte diesen Zwistigkeiten dadurch ein plötzliches Ende, daß er Pinsel und Palette zur Seite legte, und als Soldat ins Feld zog. Nach erfolgtem Frieden nahm er seine Studien wieder auf, und seine Gemälde zeigen eine große Kraft der Zeichnung, vollkommen treffenden Ausdruck und originelle Erfindung. Sein Colorit dagegen steht weit unter demjenigen Tizian’s oder da Pordenone’s. Verdrießlich hierüber und erkennend, daß es ihm nicht möglich sein werde, das Versäumte nachzuholen, gab er das Malen auf und legte sich auf die Handelschaft, indeß er nur noch gelegentlich für seine Bekannten zeichnete. Er starb früher, als Tizian. Sein Christus und Pilatus zeigt das Resolute im Entwurf und in der Zeichnung, das dem Meister eigen war, und die Malerei in diesem Gemälde würde selbst dem ersten Meister der Venetianer Ehre machen.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 817. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/834&oldid=- (Version vom 1.8.2018)