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geringsten sich um das Sündenbekenntniß bekümmernd, Brod und Käse und Zwiebeln aß und dann eine Flasche mit Wein hervorzog, der er mit der Miene eines zum Tode Erschöpften zusprach.

– Ehrwürdiger Pater, aber Ihr hört ja gar nicht! sagte die Frau, ihre drei Kinder zur Ruhe verweisend und verwundert aus ihrer demüthigen Stellung aufblickend.

– Das ist auch gar nicht nöthig, liebe Frau. Der heilige Vater in Rom hat hier der ganzen Gegend, so lange die Pest währt, vollen Ablaß ertheilt . . . Warum soll ich Euch noch erst abhören und absolviren?

– Ach ja, da habt Ihr Recht!

– Ueberdem bin ich so sehr ermüdet, daß ich kaum reden kann.

– Großer Gott, Ihr spürt doch nicht etwa, als ob Ihr die Krankheit bekämet? Ihr seid ja blaß wie der Tod!

In der That war der Mönch auffallend blaß und sein schwarzer Bart und seine dunklen Augen ließen diese Blässe fast erschreckend erscheinen.

– Ja ich bin blaß, sagte der Capuziner, die Pest ist zwar hinter mir – er lächelte bitter – aber über mich hat sie keine Gewalt. Von welcher Regel sind die Mönche in dem Kloster drüben am Felde?

– Es sind heilige Väter Capuziner wie Ihr! sagte die Frau.

Der Mönch machte ein finsteres Gesicht.

– Sind viele Mönche oben?

– Drei; aber sie lassen Niemand in’s Kloster; sie fürchten sich vor der Krankheit.

– Es ist nicht anders möglich; vorsprechen muß ich . . . murmelte der Pater . . . Gott segne Dich! Hier hast Du eine Belohnung für deine Gastfreundschaft.

Er reichte ihr ein kleines Papierpäckchen.

– Jesus! Ihr tragt Geld bei Euch? rief die Frau, die Hände zusammenschlagend.

– Nein! Dies ist ein Pulver. Werdet Ihr oder eines der Kinder von der Pest ergriffen, so genießt hiervon und Ihr werdet nicht sterben.

Die Frau küßte das triefende Ordenskleid des Paters und dieser ging, da der Regen vorüber war, nach dem Kloster zu.

Eine zerfallene Mauer zog sich um den weiten Klosterhof. Man konnte ungehindert hineinsehen und gehen, denn die Thür fehlte. Gleich neben dem Eingange war die von Quadersteinen gebaute Treppe angebracht, welche in’s Innere des Gebäudes führte. Hier sah man noch Spuren von Kanonenkugeln. Lange Grasbüschel drängten sich zwischen den verschobenen Steinen hervor und melancholisch hingen Moose und Schlingpflanzen, von dichtem Epheu durchwebt um die Haupteingangsthür. Oben über dem Gesims stand wie zum Spott: Domine, non recuso laborem! Weiter hinten auf dem Klosterhof stand die zerstörte Kapelle, die Geldquelle der Väter und ein paar alte Wirthschaftsgebäude. Uebrigens war, wenn man einen halbverhungerten Hund ausnimmt, welcher vor Freuden heulend den Pater begrüßte, Alles öde und leer. Seltsamerweise schien dieser Anblick dem Pater sehr wohl zu thun, denn sein Gesicht erheiterte sich auffallend.

– Hier ist vielleicht das Ende meiner Pilgerschaft mir beschieden! sagte er für sich.

Er zog die Klingel an der Thür. Die Glocke über der Thür läutete hell und durchdringend . . . Es erschien Niemand. Der Capuziner läutete mit großer Beharrlichkeit immerfort,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 869. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/886&oldid=- (Version vom 1.8.2018)