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Reinhold Steig: Literarische Umbildung des Märchens vom Fischer und siner Fru. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen

er dazu gekommen wäre, sie gewiß nicht in Runges Wortlaut, sondern in der ihm eigentümlichen Umbildung vorgelegt, und am ehesten hätten die Rheinmärchen Gelegenheit dazu geboten. Arnim aber förderte damals wieder seine (erst viel später aus dem Nachlasse herausgegebene) Päpstin Johanna, ein Werk, in das er auch die Leiden und Freuden seiner eigenen Kindheit und Schulzeit eingeflochten hat. Von bösen Mächten hervorgebracht und durch teuflische Erziehung innerlich vernichtet, besteigt Johanna schließlich in rasender Verblendung den päpstlichen Stuhl in Rom, stürzt dann jäh von ihrer Höhe, wird aber durch die allversöhnende Macht des christlichen Glaubens gerettet. Die Parallele zwischen der Päpstin Johanna und der Frau des Fischers, die ja auch ihrem Wunsche gemäß Papst wurde, aber auch noch der liebe Gott werden wollte, bietet sich wie von selber dar, und es wäre etwas Natürliches, wenn in Arnims Dichtung sich erweisen sollte, daß beide Erzählungsstoffe miteinander in Berührung gesetzt seien.

Nun waren mir längst Anklänge an das Fischermärchen in der Päpstin Johanna und eine besondere Art der Erzählung desselben aufgefallen. Indessen hätte ich nicht gewagt, sie als Umdichtung Arnims hinzustellen, sondern eher sie für die, wenn auch freie, Wiedergabe einer rheinischen Variante des Fischermärchens gehalten. Ein direktes Zeugnis aber belehrt uns eines anderen. „Ich habe,“ schreibt er selbst an Jacob Grimm, „es in meiner Päpstin zweimal versucht, das Fischermärchen von der Frau, die Papst und Gott wird, ganz wiederzuerzählen, wie Runge; beidemal war’s mir aber unmöglich, der Ton des übrigen teilte sich dieser Geschichte unwillkürlich in einzelnen Umständen mit, und so soll es sein, denn jede Zeit und jeder Mensch hat sein Recht.“ Nun ist es leicht für uns, den betreffenden Stellen in Arnims Dichtung beizukommen.

Von Lucifer ist die kleine Johanna dem Spiegelglanz, einem der schrecklichsten Philologen Islands, zur Pflege übergeben worden. Über Paris gelangt dieser mit dem Kinde, das er als Knaben erzieht, an den Rhein und gesellt es dem jungen Pfalzgrafen als Spiel- und Lerngefährten. Lucifer versucht vergeblich, in das von seinen Wächtern treu gehütete Rheinschloß einzudringen. In einen Wasserstar verwandelt, gerät er beim Untertauchen unvorsichtig in das Netz des armen, treuen Fischers

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Literarische Umbildung des Märchens vom Fischer und siner Fru. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen. Georg Westermann, Braunschweig 1903, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Umbildung_Fischer_und_siner_Fru.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)