Seite:Tagebuch Russlandfeldzug 0015.jpg

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durch Anlegung kostspieliger Waßerbetten, zu dieser Bauart geschritten ist.

Ansichten desselben. Der Eintritt in Pohlen wird sicht- und fühlbarer als je in einer anderen Provinz. Die deutsche Sprache, die sich schon von der Grenze an mit der pohlnischen vermischt, hört in einer ganz kurzen Entfernung schon ganz auf, und nur das an der Straße, im oder am Dorfe befindliche Wirthshaus, (hier Krug genannt) ist von einer jüdischen Familie gepachtet und bewohnt, die im gebrochenen jüdischen Dialect deutsch spricht, und zum Dollmetscher mit den LandesEinwohnern dient. Alle diese Krüge sind mit großen Stallungen versehen, die oft 50. und mehr Pferde geräumig faßen können, und deren Aus- und Eingänge auf die fahrbare Straße stoßen, der übrige inwendige Raum dient zur Remiße[1] für das Fuhrwerk. Außer schlechtem Bier, Brandewein (nach jüdischer Aussprache Bramben genannt) Brodt, Butter und Rauchtaback darf der deutsche Reisende in einemsolchen Dorfkruge nur wenig Erhohlung suchen, und ein Glück ist es noch für ihn, wenn er einen jüdischen Pachtinhaber findet, der von der angestammten Unreinlichkeit einige Ausname macht, und das so schon frugale[2] Mahl nicht durch ungewohnte Salupperie[3] noch um so mehr vereckelt.

Fortgesetzter Marsch gegen Westgallizien.     Kobylin[4] und Ostrowo[5] sind kleine unbedeutende, meist von Juden bewohnte Städtchen, die kaum den Namen eines Fleckens verdienen, und höchstens mit einem sächßischen Dorfe in Paralelle zu stellen sind. – Krotoczyn[6] ist schon etwas bedeutender. Beßere Häuser wie die gewöhnlichen, ein etwas geräumigerer Marktplaz, mehrere Geschäftigkeit unter den Juden und Profeßionisten[7] verschiedener Art, wovon viele aus den nahegelegenen Oberschlesien herstammen und Deutsche sind, geben dem Orte einiges Leben und Ansehn, Kalisch.Kalisch[8] hingegen, welches wir am 9.ten April paßirten ist schon unter die Mittelstädte Pohlens zu zählen, und die ausgehangenen Firmus[9] so mancher nicht leicht im Herzogthum Warschau aufzufindender Luxus Articel, laßen eine nicht geringe Handlung

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Remiße – Remise, Wirtschaftsgebäude für Fahrzeuge oder Geräte
  2. frugale – karg
  3. Salupperie – Nachlässigkeit, hier: Unsauberkeit
  4. Kobylin – Stadt in Großpolen, 15 km westlich von Krotoszyn
  5. Ostrowo – das heutige Ostrów Wielkopolski
  6. Krotoczyn – siehe Krotoszyn
  7. Profeßionisten – Professionisten, gelernte Handwerker
  8. Kalisch – das heutige Kalisz
  9. Firmus – 
Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0015.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)