Seite:Tagebuch Russlandfeldzug 0077.jpg

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Die Furth die wir passirten, denn Weg oder Straße kann man es keinesweges füglich nennen, ging durch einen mit Dickicht unterwachsenen Wald, gewährte dem Auge rechts und links kaum auf 10 Schritt Aussicht und stand oft völlig unter Waßer. – Die Schüzen mit aufgestreiften Pantalons so hoch es nur möglich war, und vom Fuß bis an die Oberschenkel völlig entblößt, an der Spitze, – die reutende Batterie, oft bis an die Röhre der Canons in Schlamm und Waßer sich fortschleppend in der Mitte – und die schließende Cavallerie bis über die Pferdeknie im ähnlichen Falle, so bewegte sich der Zug ganz langsam vorwärts und oft wurde er bei grundlosen Stellen stundenlang unterbrochen, bis die Sappeurs Bäume gefällt, auf denen die leichte Infanterie hinklettern konnte und eine Art Knüppeldamm hergestellt hatten, auf dem das Geschüz einigen Grund fand. Höhere lichte und trockene Stellen gab es nur wenige und es war eine Wohlthat für die Cavallerie, bei einem längeren Halt eine solche zu erreichen, um absizen und es sich und den Pferden bequemer machen zu können. – Nicht wenig erstaunt waren daher die friedlichen völlig isolirten Einwohner des etwas erhöht liegenden kleinen Dorfes Lipsk, als sie einen solchen nach ihrer einmüthigen Versicherung in ihrer friedlichen Einöde noch nie gesehenen kriegerischen Zuspruch erhielten, zu deßen Bewirthung es an allen möglichen mangelte. Das wenige Brod was sie auftrieben, bestand meist noch aus ganzen, auf einer Handmühle gequetschten Körnern, die durch die mehlige Substanz und durch das Backen zusammengehalten wurden. Daß in dieser undurchdringlichen Wildnis eine Menge Bärn nisteten, bewiesen die vielen hier vorgefundenen, auf rußische Art auf einer Seite mit Fett gegerbten, oder vielmehr geschmeidig gemachten Bärenhäute, die zu Schuzdecken für die Witterung auf die bepackten Handpferde sich sehr gut benuzen ließen. Die Einwohner dieses mit wenig Feldbau versehenen Dörfchens

Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0077.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)