Seite:Tagebuch Russlandfeldzug 0121.jpg

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hatten die Mannschaften im Gefecht ohne Nahrungsmittel zugebracht, und nur die allzu große Erschöpfung konnte die Natur und das strenge Element besiegen und sie statt Ruhe in eine Art Starrlosigkeit sezen. Ohnerachtet während dieser Nacht die auf die höchsten Puncte postirten Infanterie Vedetten[1] allen halbe Stunden abgelößt wurden, so hatte doch das Hin- und Wiederlaufen in den ungebahnten Schnee bei einigen die lezten Kräfte erschöpft, und erstarrt und entseelt wurden sie von der Ablösung aufgefunden.

     Der Donner der Geschüzes rufte am 16ten früh zum neuen Kampfe, der mit gleicher Erbitterung wie Tages vorhero begonnen und fortgeführt wurde, und wer weis ob nicht am Ende die Tapferkeit der gänzlichen Erschlaffung und feindlichen Übermacht hätte unterliegen müßen, wenn nicht Nachmittags spät der Fürst Schwarzenberg mit der ersehnten Hülfe einer Colonne Österreicher von Zelbice her, dem bedrängten Corps zur Unterstüzung kam. Seine Ankunft, die sich schon aus der Ferne durch Angriff mit Kanonendonner auf den feindlichen rechten Flügel uns kund that, nahm das feindliche Corps nunmehro zwischen zwey Feuer, der lezte Rest von Kraft erhob sich wieder, die beiderseitigen Batterien, schienen durch ein auf die Stadt gerichtetes sich kreuzendes Feuer in der lezten Crisis zu liegen, die von den Bergen herunterstürzende Infanterie nahm die Stadt mit Sturm, der Feind floh allenthalben, und – der vollständige Sieg, den Muth und Ausdauer davongetragen, unterlag nunmehro keinen Zweifel mehr. Die Österreicher vollendeten durch Nachsezen die Niederlage des Feindes und erndeten durch reiche Beute die Früchte des Tages, während das 7te ArméeCorps der so bedürfenden Ruhe zu pflegen, sich in und bei Wollkowize lagerte und auf den Trümmern der verheerten Stadt sowohl als aus ihrer Nähe sich einige Erquickung zu verschaffen suchte.

  1. Vedetten - (ital. vedere, d.i. sehen), die von der Kavallerie gestellten Doppelposten der Feldwachen
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F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0121.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)