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Reinhardt lächelte: Hört ihr es wohl? So geht’s von Mund zu Mund.

Es wird oft in dieser Gegend gesungen; sagte Elisabeth.

Ja, sagte Erich, es ist der Hirtenkaspar; er treibt die Starken heim.

Sie horchten noch eine Weile, bis das Geläute oben hinter den Wirthschaftsgebäuden verschwunden war. Das sind Urtöne; sagte Reinhardt, sie schlafen in Waldesgründen; Gott weiß, wer sie gefunden hat.

Er zog ein neues Blatt heraus.

Es war schon dunkler geworden; ein rother Abendschein lag wie Schaum auf den Wäldern jenseit des Sees. Reinhardt rollte das Blatt auf, Elisabeth legte an der einen Seite ihre Hand darauf, und sah mit hinein. Dann las Reinhardt:

Meine Mutter hat’s gewollt,
Den Andern ich nehmen sollt’;
Was ich zuvor besessen,
Mein Herz sollt’ es vergessen;
Das hat es nicht gewollt.

Meine Mutter klag’ ich an,
Sie hat nicht wohlgethan;
Was sonst in Ehren stünde,
Nun ist es worden Sünde.
Was fang' ich an!

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Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/93&oldid=- (Version vom 1.8.2018)