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Mark Twain übersetzt von Wilhelm Lange: Zeitungsschreiberei in Tennessee In: Meisterbuch des Humors

Herr John W. Blossom, der tüchtige Redakteur des ‚Donnerkeils und Schlachtrufs der Freiheit‘ von Higginsville ist gestern in dieser Stadt angekommen. Er ist in van Buren-House abgestiegen.

Wir bemerken, daß unser Kollege vom ‚Morgengeheul‘ in Mud-Springs in dem Irrtum verfallen ist, anzunehmen, die Wahl van Werters sei nicht eine feststehende Tatsache; aber bevor diese Erinnerung ihn erreicht, wird er seinen Mißgriff ohne Zweifel selbst entdeckt haben. Offenbar war er durch unvollständige Wahlnachrichten irregeleitet worden.

Mit Vergnügen vernehmen wir, daß die Stadt Blathersville sich bemüht, mit einigen Neuyorker Herren einen Kontrakt abzuschließen, laut welchem diese die beinah unpassierbaren Straßen von Blathersville mit dem Nicholsonschen Pflaster zu pflastern haben. Es dürfte schwer halten, einen solchen Wunsch durchzusetzen, seitdem die Stadt Memphis einige Neuyorker veranlaßte, ihr einen ähnlichen Dienst zu erweisen und dann die Bezahlung ablehnte. Indes tritt das ‚tägliche Hurra‘ mit viel Geschick für die Maßregel in die Schranken und scheint voll Zuversicht zu sein auf einen schließlichen Erfolg.

Mit Bedauern hören wir, daß Oberst Bascom, Chefredakteur des ‚verhallenden Freiheitsrufes‘, vor einigen Abenden auf der Straße einen Fall tat und sich das Bein brach. Er litt in letzter Zeit an großer Schwäche, welche durch Ueberanstrengung und Kummer über Krankheitsfälle in seiner Familie hervorgerufen war, und man vermutet, daß er infolge seiner Gewohnheit, sich zuviel in der Sonne zu bewegen, in Ohnmacht fiel.“


Ich reichte mein Manuskript dem Chefredakteur zur Annahme, Aenderung oder Vernichtung. Er warf einen Blick darauf. Sein Gesicht verfinsterte sich. Seine Augen flogen über die Seiten: seine Züge wurden unheildräuend. Es war leicht zu sehen, daß etwas verkehrt war. Dann sprang er auf und rief:

„Blitz und Donner! Glauben Sie denn, daß es mir einfallen könnte, von diesem Vieh in diesem Tone zu sprechen? Glauben Sie denn, daß meinen Abonnenten solch schales Gebräu munden würde? Geben Sie mir mal die Feder her!“

Niemals sah ich eine Feder so boshaft kratzen und ausstreichen oder so erbarmungslos durch die Verba und Adjektiva eines anderen hindurchpflügen. Gerade als er mitten in seiner Arbeit war, schoß jemand durch das offene Fenster nach ihm und entstellte die Symmetrie seines Ohrs.

„Aha,“ sagte er, „das ist der Halunke Smith ... vom ‚moralischen Vulkan‘ ... ich erwartete ihn schon gestern.“

Und damit riß er einen Matrosenrevolver aus seinem Gürtel und feuerte. Smith stürzte, in die Lende getroffen, zu Boden. Infolge dieses Schusses verfehlte Smith, der gerade zum zweitenmal feuerte, sein Ziel und verwundete einen Unschuldigen. Das war ich. Nur ein Finger abgeschossen.

Empfohlene Zitierweise:
Mark Twain übersetzt von Wilhelm Lange: Zeitungsschreiberei in Tennessee In: Meisterbuch des Humors. Ullstein & Co., Berlin und Wien 1908, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Twain-Zeitungsschreiberei_in_Tennessee-1908.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)