Seite:Ueber die Liebe 332.jpg

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einzunehmen, erzählte sie ihm von ihrer Liebe zu ihrem Manne und von ihrem Herzeleid, daß er ihre Empfindungen so wenig teile. Dieses Klagelied langweilte Weilberg; er hörte aus reiner Höflichkeit zu. Sie glaubte, bereits Erfolg bei ihm gehabt zu haben; sie redete von der Sympathie, die zwischen ihnen beiden bestehe. Gustav nahm seinen Hut und machte einen Spaziergang.

Bei seiner Rückkehr warf sie ihm sein Benehmen vor. Sie sagte, er hätte sie beleidigt, indem er ein lediglich wohlwollendes Wort für den Anfang einer Liebeserklärung ausgelegt habe.

Wenn sie bei Nacht reisten, lehnte Felicie ihren Kopf an Gustavs Schulter, was er aus Höflichkeit duldete. Auf diese Weise reisten sie zwei Monate lang, gaben viel Geld aus und langweilten sich immer mehr.

Nach der Heimkehr fing Felicie ein ganz neues Leben an. Wenn es angängig gewesen wäre, Anzeigen zu verschicken, so hätte sie allen ihren Freunden und Bekannten die freudige Mitteilung gemacht, daß sie eine große Leidenschaft für den Schweden Weilberg hege und daß Herr Weilberg ihr Liebhaber sei.

Keine Bälle mehr, keine Toiletten; die früheren Freunde wurden vernachlässigt, die alten Bekannten vor den Kopf gestoßen. Kurz, sie opferte alle ihre Liebhabereien, um den Glauben zu erwecken, daß sie Weilberg tief liebe, diesen Halbwilden, der mit achtzehn Jahren Oberst in Schweden gewesen war, und daß dieser Mensch in sie vernarrt sei.

Am Tage ihrer Rückkehr gibt sie das zunächst ihrer Mutter zu verstehen. Nach ihrer Meinung sei diese schuld daran, daß sie mit einem ungeliebten Manne

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_332.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)