Seite:Ueber die Liebe V 007.jpg

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die Damen am Hofe machten ihre Liebhaber zu Obersten; heute, nach fünf radikalen Umwälzungen in Zweck und Form der Regierung, vermöchte auch die einflußreichste Frau der regierenden Bourgeoisie oder des grollenden Adels kaum einen Tabaksverschleiß auf dem Dorfe mehr zu vergeben. Die Frauen sind nicht mehr in Mode. Die goldne Jugend, die sich einen leicht frivolen Anstrich gibt, um als Erbin der guten Gesellschaft von ehedem dazustehen, spricht lieber von Pferden oder spielt im Klub, wo keine Frauen zugelassen sind … Die Gesellschaft von 1778, wie wir sie in Diderots Briefen an seine Geliebte, Mademoiselle Volland, oder in den Memoiren der Frau von Epinay finden, ist uns völlig unverständlich geworden.“

In den ersten Jahren nach Erscheinen seines Buches dachte Stendhal noch nicht so. Noch im Jahre 1824 wähnte er auf Grund desselben seine Aufnahme in die Académie française betreiben zu können, – dieselbe Akademie, die er später so derb verspottete. Bereits 1826, in der ersten seiner drei Vorreden, wechselt der Ton. Schon damals plante er eine Neuauflage, aber der Verleger ließ sich nur bereit finden, die erste unverkaufte Auflage mit neuen Titelblättern und der Jahreszahl 1833 zu versehen.[1] 1834 schrieb er eine zweite, an Nietzsches Tonfall gemahnende Vorrede: „Ich schreibe nur für hundert Leser, für unglückliche, liebenswerte, aller Heuchelei bare, unmoralische Menschen“ … Und in einer (fortgelassenen) Anmerkung wünscht er sich „in Paris höchstens dreißig bis vierzig Leser,


  1. Nach Bicaire, „Manuel de l’amateur de livres du XIX. siècle“ I, 452.
Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite VII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_V_007.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)