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sind jene unzähligen Schwierigkeiten, Widersprüche und Mißgriffe entstanden, unter denen die gesunde Entwicklung unseres Volkes leidet. Ich will auf diese Dinge nicht weiter eingehen, da sie hernach von anderer Seite beleuchtet werden; es handelt sich ja zunächst nur darum, den Anspruch des humanistischen Bildungsideals auf die Gestaltung unseres Erziehungswesens in seinen Grundlinien zu kennzeichnen.

Denn als wirkliche ldeale kann man nur solche anerkennen, welche praktische Bedeutung haben. Die Vertreter des Humanismus gehen so weit, daß sie die tatsächliche Unnützlichkeit der humanistischen Studien als einen Beweis für deren idealen Charakter hervorheben. Das ist der Standpunkt einer auf Sklaverei begründeten Kultur, nicht aber der einer auf dem Adel der Arbeit beruhenden. Ich aber kenne kein anderes mögliches Ideal, als das der Arbeit im Dienste der Mitmenschen, des Volkes, der Menschheit. Um diesen aber Dienste leisten zu können, muß man zu arbeiten verstehen. Je praktischer diese Arbeit ist, d. h. je stärker sie den Zustand der Menschen im Sinne einer Erleichterung oder Steigerung ihrer Lebensverhältnisse beeinflußt, um so höher steht sie. Erleichtert und erhöht etwa das humanistische Gymnasium die Lebensverhältnisse irgendeines Teiles der Menschheit? Ich kann nichts derartiges erkennen, wohl aber erkenne ich ungemessene Bedrückung und Belastung unserer Jugend ohne Schaffung irgendwelcher positiver geistiger oder materieller Werte.

Wir müssen unbedingt und mit aller Entschiedenheit feststellen und festhalten, daß die Schule für

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Wilhelm Ostwald: Wider das Schulelend. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1909, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wider_das_Schulelend.pdf/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)